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Evaristti: Eine rosa Wolke über der Wachau

26.02.2008 | 19:09 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Guerilla-Künstler Marco Evaristti will in Krems über Territorien diskutieren. Am Samstag , 1.3. eröffnet in der Kunsthalle Krems die Ausstellung "Red Factions", in der erstmals Evaristtis Fototrilogie gezeigt wird.

So ist das mit den „Enfants terribles“ der Kunst, ob sie nun Schlingensief, Meese oder Marco Evaristti heißen. Sitzt man ihnen Aug in Aug gegenüber, provozieren sie höchstens durch eines – extreme Liebenswürdigkeit. Also humpelte – die Achillessehne! – der berüchtigt wilde Däne vor kurzem in die „Presse“-Redaktion. Mit charmantestem Lächeln, extra angereist aus der nicht minder wilden Wachau, wo er wohl die Wolke gesucht hatte, die er, bleibt sie ihm gewogen, dieser Tage rosa färben will. Was mittels Massen von Lebensmittelfarbe schon einem Eisberg, Teilen des Montblanc, einer Saharadüne – und einem zufällig vorbeimarschierenden Kamel widerfuhr.

„Pink State“ heißt schließlich das fiktive Reich, dessen Territorium Evaristti regelmäßig mittels rosaroten Guerilla-Markierungen erweitert. Eine Trilogie der eindrucksvollsten dieser Landnahmen ist ab Samstag in der Kunsthalle Krems zu sehen. Inklusive rosa Wolke. „Das wird irre schön, total psychedelisch“, freut sich der in Chile geborene, in Dänemark lebende Künstler. Ganz nebenbei versucht er eine Ehrenrettung der Farbe: „Für Pink gibt es heute keinen Respekt, es steht für Prinzessinnen und Schwule. In der Hippiezeit aber bedeutete es Liebe, Friede, Harmonie.“ Ist er tatsächlich Post-Hippie? „Nein, Post-Neo-Punk“, meint er grinsend.

Und Landschaftsmaler. Ohne Witz. „Ich male keinen Eisberg, sondern bemale den Eisberg selbst. Nach Hause nehme ich dann eine Dokumentation, kein Kunstwerk. Ich will, dass man mir glaubt, dass ich es wirklich getan habe. Wir sind ja nur noch manipulierte Realität gewöhnt“, versucht Evaristti zu erklären. Die politische Dimension seiner oft pittoresk anmutenden Aktionen stellt er dabei gerne in den Hintergrund. „Ich bin wie ein trojanisches Pferd“, sagt er, „zeige etwas und meine etwas anderes.“ Und was genau meint er mit seiner Neo-„Land Art“? „Dass Wasser, Wolken, Sand, Eisberge niemandem gehören. Ich möchte eine intellektuelle Diskussion über Territorialismus provozieren – wer besitzt was und warum?“

Seine Art, Diskussionen zu provozieren, hat ihm schon einigen Ärger mit Autoritäten eingehandelt. Aber er liebe nun einmal das Spiel David gegen Goliath. Beim Abstieg vom Montblanc 2007 wurde er eingesperrt. Nicht etwa wegen seiner farbigen Inbesitznahme einer Gipfelkuppe, die blieb unentdeckt. Sondern für ein Klo, das er zum Spaß aus Schnee formte, rot bemalte und benutzte. „Alle Touristen erleichtern sich dort überall und niemand sagt etwas wegen des Geldes. Aber ich wurde deshalb verhaftet.“

Was ihm in Japan erspart blieb. Obwohl er dort stark in Kannibalismus-Verdacht geriet, als er Fleischlaberl essen wollte, die er in seinem eigenen, abgesaugten Körperfett gebacken hatte. Ein anderes Mal kaufte er unter Argusaugen der Polizei Heroin, um damit zu malen, und es hagelte erfolglose Anzeigen wegen Tierquälerei, weil Evaristti in Ausstellungen betriebsbereite Standmixer aufgestellt hatte, in denen Goldfische schwammen. Was einige nicht ganz überlebten.


Pürieren, schnellste Todesart für Fische

Dabei sei Pürieren die „humanste“, schnellste Methode überhaupt, Fische zu töten, stellte ein Gericht damals fest. Und überhaupt: „Ich habe niemanden aufgefordert, die Mixer anzustellen. Ich habe die Leute nur vor die Wahl gestellt“, so Evaristti. „Es ist nicht meine Verantwortung, was Leute tun. Es ist nur interessant herauszufinden, dass sie mehr am Leben eines Fisches interessiert sind als an dem, was im Irak passiert.“

Für einen bekennenden Buddhisten trotzdem eine derbe Aktion. Doch Religionen interessieren Evaristti weniger, auch wenn er seine jüdischen Wurzeln „nicht ignorieren kann“. Politik ist ebenfalls nicht seines – „von der weiß ich nur, dass alle Extreme gefährlich sind.“ Er sei einfach Humanist, erklärt er. Unter diesem Vorzeichen ist auch sein Bluttausch mit einer palästinensischen Prostituierten zu verstehen. Danach musste er untertauchen, es gab Drohungen radikaler Islamisten. Denn sowohl Juden als auch Muslimen ist dergleichen strengstens verboten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2008)


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