![]() | ||
![]() |
diepresse.com | ![]() |
![]() | ||
![]() |
zurück | drucken | ![]() |
![]() | ||
| ||
![]() | ||
![]() |
24.05.2006 - Kultur&Medien / Kultur News | ![]() |
![]() | ||
![]() |
HR Giger: Durchs weite Land der Totenschädel | ![]() |
![]() | ||
![]() |
VON WOLFGANG GREBER | ![]() |
![]() | ||
![]() |
Interview. Der Schweizer Surrealist HR Giger über den Tod, das Mädchen und die langweiligen Blumen. | ![]() |
![]() | ||
![]() |
Totenschädel." Bei dem Wort lächelt der Meister, er ist 66, und seine
Au gen drehen sich in den Augenhöh len nach oben. "Ich steh auf
Totenschädel. Und Knochen. Ich hab einen Haufen Schädel zu Haus. Den
ersten hab ich von meinem Vater gekriegt. Ich war fünf. Vieles, was einen
beeindruckt, hat man meist früh gesehen, und der Schädel hat mich eben
riesig fasziniert: Man steht vor einem Menschen, und über den zu verfügen
als Knirps, das ist schon ein Eindruck." Der schädelverliebte Knirps, 1940 in Chur im Schweizer
Kanton Graubünden geboren, hieß Hansruedi Giger. Später nannte er sich HR
Giger (dass jemand Hansruedi falsch ausspricht, nervt ihn, dabei sei es
simpel: Man spricht es aus, wie man's schreibt, nicht wie "Hansrüdi" oder
so). Und er nahm einen echten Totenkopf und sägte und verlängerte und
formte ihn und daraus wurde der Entwurf des "Alien" - das Monster, das
Ridley Scott 1978 auf verdammte Raumfahrer und die Nerven des
Kinopublikums hetzte. HR Giger spricht nicht mehr gern über die Figur, die ihm
1980 einen "Oscar" eingebracht hat. "Er hat mir zwar sehr geholfen. Ich
hätte aber lieber eine Biennale-Ausstellung gehabt. So ein Ding ist nur
interessant, wenn man Schauspieler ist." Also ohne Alien. Aber auch so wirken die Werke Gigers,
der in den 60er Jahren nach Zürich zog, Kunst und Industriedesign
studierte und heute dort lebt, verstörend: Kalte, fremdartige Gesichter;
Körper, wie in schmerzhafter Verrenkung erstarrt und mit industriellen
Strukturen verschmolzen; monochrome, alptraumhafte Landschaften, die
außerhalb der Zeit zu schweben scheinen; Amalgame aus Schädeln, Knochen,
Skorpionen, Rasierklingen, Hörnern und anderen negativ besetzten Dingen,
die Angst auslösen - aber nicht die "Teenage Angst", über die Kurt Cobain
sang, sondern jenen dauerhaften Alp, der noch im reifen Alter drückt (und
wahrscheinlich dann erst recht). Die "schönen" Künste sahen des Schweizers Irrfahrt auf
der dunklen Seite nie gern. Und da er bisweilen mit Teufeln und
Pentagrammen hantiert, brandmarken ihn manche als "Antichrist" - eine
pauschale Katalogisierung, die er verärgert ablehnt (s. u.). Wieso er finstere Einfärbigkeit bunten Blumen vorziehe?
"Mich hat die ,positive Seite' mit Blumen und dergleichen immer
gelangweilt. Paradiesische Zustände sind visuell nicht so interessant. In
Museen habe ich nie die Bilder gefunden, wie ich sie wollte, also hab ich
sie selber gemacht." Wo verortet sich der Mann aus dem lieblichen Graubünden,
der Klaus Kinski so ähnlich sieht und malt und formt, als käme er aus
einem seltsamen Traum? "Im Surrealismus. In der ,Wiener Schule des
fantastischen Realismus' mit Leuten wie meinem Freund Ernst Fuchs." Der
Stil werde aber kaum noch ernst genommen: "Der Surrealismus ist vorbei.
Ich habe gemerkt, wie die Fantasten hier verpönt sind." Gigers Maschine-Fleisch-Fusionen, der "biomechanische"
Stil, inspiriert die Populärkultur, vor allem die Science-Fiction: "Ich
sah, wie sich Leute meine Sachen vornahmen und daraus Wunderbares machten.
Filme wie ,Matrix' könnten von mir sein. Es ist fantastisch, wenn man
bedenkt, dass die Dinge, die man in diesen Filmen sieht, zuvor von jemand
anders innerlich gesehen wurden. Das erinnert mich daran, wie limitiert
viele andere Menschen denken." Erweitert denken - konsequenterweise zählte "LSD-Papst"
Timothy Leary schon im Zürich der 70er zu Gigers Freunden. "Er schrieb bei
zwei meiner Bücher ein Vorwort." Ob Giger auf der Suche nach Visionen
verbotenen Kräften vertraute? - Immerhin habe sich auch in Österreich ein
bekannter Sänger einen weißen Ferrari durch die Nase fahren lassen.
"Drogen sind verboten - wenn man da was sagt, ist man
halt dran (lacht). Aber sehen Sie sich LSD-Erfinder Albert Hofmann an: Der
wurde kürzlich 100. Es ist gewaltig, wie der rüstig ist! Er hat selbst
viel mit LSD experimentiert, und wenn man so alt wird, kann's doch nicht
so schädlich sein?" Timothy Leary starb 1996. Gigers langjährige Freundin Li
Tobler, eine kühle, edle Schönheit, erschoss sich 1975 (ihr Gesicht taucht
in Gigers Werk auf). Wie würde er den Tod malen? "Ich tat das für eine
Illustrierte: Ein Skelett wie ein Ritter, und ein Mädchen, das wie im Film
in mehreren Standbildern abgebildet ist und sich auflöst, transparent
wird. Der Tod ist ein interessantes Motiv. Das spielte bei mir immer eine
Rolle." Wieder der Totenkopf. Ob er, Giger, daran denke, dass das
eigene Ich in einem solchen drinnensteckt? "Ja. Es gibt da einen anderen
Künstler, der malt Totenköpfe. Und man sieht die lebendigen Augen von
diesem Künstler, wie sie von innen aus den leeren Augenhöhlen des Schädels
herausschauen. Da steckt man wirklich drin wie im Käfig."
|
![]() |
![]() | ||
![]() |
© diepresse.com | Wien | ![]() |
![]() |