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17.12.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Katz: "Ich war schon vor 40 Jahren so gut"
VON ALMUTH SPIEGLER
Seine Bilder sind die Faust aufs europäische Auge: Eine "Lecture" von Alex Katz, dem einflussreichen US-Maler, der keine Botschaft hat, aber eines sicher weiß: Er ist der Beste.

An sein Lachen muss man sich gewöhnen. Fast lautlos, trocken wie Staub stößt er es aus. Einen Sekundenbruchteil später verdichtet Alex Katz sein gebräuntes Gesicht wieder zur undurchdringlichen Maske. Die 80, auf die der 1927 in New York geborene Maler zugeht, würde man ihm nicht abnehmen. Der hagere Herr scheint sich außerhalb der Zeit zu bewegen, genau wie seine kühlen Bilder, die zu Ikonen der US-Malerei zählen. Von ihm klaute einst schon Andy Warhol, seit der Wiederentdeckung Ende der 80er Jahre bedient sich heute auch die nächste Generation an den flächigen Porträts der US-amerikanischen Party- und Freizeitgesellschaft. Er ist der Meister des "Cool Paintings".

Davon kann man sich ab heute in der Albertina beeindrucken lassen, die erstmals die Vorlagen (Kartons) mit seinen Gemälden konfrontiert. Gleichmütig hängen hier Bilder aus den vergangenen 20 Jahren nebeneinander. Vollkommen oberflächlich. Vollkommen schön. Wie die Faust aufs sinnsuchende und traditionstriefende europäische Auge. Sie haben keine Botschaft. "Ich war nie politisch. Es interessiert mich auch nicht, Geschichten zu erzählen. Mich interessiert nur das Aussehen von Dingen", referiert Katz. "Die meisten Leute glauben, sie sehen mit den Augen. Aber das tun sie nicht. Sie sehen durch die Kultur, durch andere Bilder. Ich will diese Sicht dominieren, ich will zeigen, wie etwas auszusehen hat." Wobei er als seinen größten Konkurrenten das Fernsehen sieht. Katz zeigt auf das Bild eines kanarigelben Hauses. "Meine Bilder sind Symbole. Das hier ist zwar mein Haus - aber vor allem ist es ein Haus."

Die Sujets sind aber auch Gerüst für Katz' Spiel mit Abstraktion und Realismus. "Kommen Sie einmal ganz nahe." Das Auge einer blonden Lady wird zum wässrig-flüchtigen Pinselstrich. "Was sehen Sie? Nichts, da ist doch nichts! Und jetzt gehen Sie weiter weg. Und?" Jedes Detail des Porträts scheint haarscharf vor uns zu liegen. Ein alter Trick, eigentlich. "Ja, aber es gibt heute absolut keinen anderen zeitgenössischen Maler, der solche großen Bilder malen kann." Ein skeptischer Blick - Katz' Miene verhärtet sich, ganz der Grand Seigneur der immer wieder und weiter rollenden Welle der gegenständlichen Malerei. Total "fluid" müsse ein Bild am Ende sein, völlig eben, so, dass der Blick sich an keinem Punkt, keinem Strich mehr anhalten kann. In vier, fünf Stunden hat er eine vier, fünf Meter breite Leinwand bewältigt. Ganz anders seine Kartons, für die er viel mehr Zeit aufwendet. Auf das Papier zeichnet Katz mit Kohle die Umrisse, perforiert sie dann und paust sie mit rötlicher Kreide auf die Leinwand durch. "Niemand ist technisch so gut wie ich." Kein Wunder eigentlich, übt er sich schließlich seit 40 Jahren in diesem Stil. "Das ist nicht der Punkt. Ich war auch vor 40 Jahren schon so gut."

Das muss auch Andy Warhol gewusst haben. "Warhol hat meine Idee der einzelnen Figur auf flachen Hintergrund gestohlen - und die verdoppelte Figur." Waren Sie sauer? "Nein. Jeder gute Künstler stiehlt." Und wo hat dann Alex Katz gestohlen? "Von überall!" Zum Beispiel? "Mark Rothko, Franz Kline." Befreundet war er mit Warhol nicht. "Er fragte mich einmal, ob ich seinen Freund porträtieren könnte. Er wollte mir dafür 150 Dollar zahlen. Ich habe es nicht getan." Heute erreichen Katz-Bilder in Auktionen schon über 200.000 Dollar. An das "Klauen" habe er sich gewöhnt, er sieht es als Kompliment. "In den 60ern, als ich jung war, wurde ich einmal gefragt, wie viele Bilder von mir in der Whitney-Biennale hängen. Ich habe geantwortet: Vier, aber sie sind alle nicht von mir gemalt."

Sowieso sei alles nur eine Frage des Stils - "Wenn etwas Stil hat, ist es immer frisch!" Hat sich in der ganzen Zeit seiner Karriere denn gar nichts geändert? "Natürlich, alles ändert sich. Das ist es, was die Menschen so verunsichert. Deswegen ist der Fundamentalismus so stark. Man will alles fixieren." Aber fixiert nicht auch er selbst seit Jahrzehnten immer dasselbe, die totale Schönheit? "Ja, ich probiere es, aber mit dem Wissen, dass ich es nicht kann." Vor allem mag Katz die Idee, dass jeder seine Bilder verstehen kann. "Ein Ungebildeter sieht: Ah, das ist eine schöne Lady. Ein Maler sieht: Das ist außerordentlich gut gemalt! Und ein Kunsthistoriker würde es mit anderen Porträts in Beziehung setzen. Das sind keine einfachen Bilder. Sie bestehen aus vielen Schichten."

Sein Publikum war Katz immer wichtig. Vor allem liebe er das feindliche - und habe es von Anfang an attackiert, erzählt er. "Genau das treibt mich an. Als mir Leute in den 50ern sagten, ich könne nicht realistische Malerei malen, antwortete ich: "Oh yeah? Jetzt werde ich es euch zeigen! Und sehen Sie, ich bin hier. Und die anderen nicht." Und er erlaubte sich ein Lachen, trocken wie Staub, fast lautlos.

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