diepresse.com | ||
zurück | drucken | ||
| ||
26.05.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung | ||
Kritik Ausstellung: Verlorene Buchstaben | ||
VON SABINE B. VOGEL | ||
Theresa Hak Kyung Cha in der Generali Foundation: eine höchst emotionale Identitätssuche. | ||
In weniger als zehn Jahren schuf The resa Hak Kyung Cha fünf Filme, sieben Performances, schrieb zahlreiche Auf sätze und zwei Bücher. Aber eigentlich kennt kaum jemand das Werk der koreanisch-amerikanischen Künstlerin. So setzte ein erster Erfolg auch erst nach ihrem frühen Tod ein, blieb aber noch auf ihr Buch "Dictée" beschränkt. Jetzt wird auch ihr bildnerisches Werk erstmals in Europa in einer großen Retrospektive in der Wiener Generali Foundation vorgestellt. Aber wer ist eigentlich Theresa Hak Kyung Cha? Bis 1945
unter japanischer Herrschaft wird Korea 1950 nördlich vom
38. Breitengrad von sowjetischen, südlich davon von US-Streitkräften
besetzt. Mitten in diesem dreijährigen Krieg wird Theresa Hak Kyung Cha in
der Nähe der südkoreanischen Hauptstadt Seoul geboren. In den politischen
Wirren des Kalten Kriegs wandern ihre Eltern Anfang der 60er aus - erst
nach Hawaii, dann weiter nach Kalifornien, wo Cha später
Literaturwissenschaft und Kunst studiert und 1982 im Alter von nur 31
Jahren in New York ermordet wird. Cha war dreizehn Jahre alt, als sie in San Francisco zur
Schule ging, in einer fremden Kultur und mit einer fremden
Sprachekon-frontiert. Ihre Erfahrungen des Scheiterns von Kommunikation
durchziehen ihre Werke. Worte und Erinnerungen überlagern sich, geraten
durcheinander und umkreisen immer wieder die zentrale Frage: Was ist eine
koreanische, was eine asiatisch-amerikanische, was ist meine kulturelle
Identität? So vermischt Cha in "Dictée" auf sprachlicher und inhaltlicher
Ebene das Schicksal vieler Frauen, von Clio, einer der griechischen Musen,
über historische Frauen Koreas bis zu ihren eigenen Erfahrungen. Auch in den ausgestellten Werken ist die Sprache Chas wesentliches Material. In den Foto-Sequenzen ihrer Performance "Öde stumme Höhle" von 1974 sehen wir große leere Papierbögen in einem dunklen Raum. Langsam sind Buchstaben zu erkennen, zum Schluss verbrennt das Papier. Was die Worte bedeuten? Das bleibt offen. Es sind, wie so oft in ihrem Werk, Wortspiele, kryptische Assoziationen, die von Buchstaben oder Sprachklang geleitet sind oder bruchlos zwischen englischer, französischer, lateinischer, koreanischer Sprache wechseln. Inhaltlich wie formal kommen die Worte immer wieder aus dem Dunkeln heraus, ohne je wirklich ins Licht zu treten. Die Buchstaben scheinen ihren Umraum verloren zu haben, stehen in den Filmen und Grafiken extrem reduziert allein auf einem ansonsten leeren Papier, auf Briefumschlägen oder auf fotokopierten Familienfotos - "not be named" ist zu lesen. Aber Theresa Hak Kyung Cha taumelt nicht nur am Alphabet
entlang. Zur Performance "A Ble Wail" sagt sie: "In dieser Arbeit möchte
ich der Traum des Publikums sein." Die Ausstellung in der Generali
Foundation greift dieses Zitat als Titel auf. "Der Traum des Publikums"
wird allerdings zu einer mehrdeutigen Formulierung. Cha bewegt sich im
langen weißen Gewand wie hypnotisiert durch einen dunklen Raum voller
Kerzen und Spiegel. Der Traum ist hier keineswegs, wie es der
Ausstellungstitel erst vermuten lässt, das immer schon Gewünschte. Dieser
Traum ist eher der Blick in eine traumatisierte Welt. Dazu passt dann auch
der Aufbau der Generali-Schau mit den großen, schwarzen Zelten, in
denen Chas Filme laufen. Wir
betreten hier eine strenge, puristische Welt, landen in einem bisweilen
fast spirituellen Werk, das mit starken Hell-dunkel-Kontrasten arbeitet
und formal die Sprache der 70er Jahre mit Anklang an die Hippiekultur
spricht. Inhaltlich begegnen wir hier einer frühen, einsamen aber
intensiven Auseinandersetzung mit Themen, die heute vehement
kulturwissenschaftliche Diskussionen beherrschen: Nationalität,
Feminismus, Kultur, Syntax und Semiotik - und all das sehen wir in Chas
Retrospektive miteinander vermengt zu einer höchst emotionalen Spuren- und
Identitätssuche. Bis 15. August, Di. bis So. 11-18, Do. bis 20 Uhr;
Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 4,5 Euro. |
||
© diepresse.com | Wien | ||