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Die Leichtigkeit von Paul Floras Zeichenstift im Palais Harrach

In den hintergründigen und von traurig-gelassenem Witz erfüllten Kosmos des berühmten Zeichners und Karikaturisten Paul Flora führt die Ausstellung "Paul Flora. Zeichnungen 1938 bis 2001", die das Kunsthistorische Museum (KHM) vom 25. 11. bis zum 12. 1. 2003 im Palais Harrach zeigt.

Wien (APA) - Die magere Walküre und dreitausendneunhundertundeinundvierzig ernste Chinesen sind ebenso Bewohner dieses Kosmos wie Floras Markenzeichen, der schwarze Rabe, den der am 29. Juni 80 Jahre alt gewordene Künstler heute, Freitag, bei der Präsentation der bisher größten Schau zu seinem Werk bereitwillig in die zahlreichen ihm vorgelegten Exemplare des Ausstellungs-Kataloges zeichnete.

"Die Leichtigkeit des Flora'schen Zeichenstiftes ist letztlich eine Wiedergabe der Leichtigkeit des Seins", meinte KHM-Generaldirektor Wilfried Seipel. Die chronologisch angeordnete Schau ist zwar mit über 240 Zeichnungen die bisher größte Paul Flora-Ausstellung, so Seipel, jedoch gehe es nicht um die Quantität. "Paul Flora ist aus unserem Leben - nicht nur unserer Kunst - nicht mehr wegzudenken". Der "Chronist mit spitzer Feder" habe mit seiner "subtilen Art, seiner Gelassenheit und Distanz eine eigene Sprache entwickelt", so Seipel. Diese Sprache sei "vertraut" - trotz des Widerspruches, den sie auch auslösen könne -, weil sie von einem "Einverständnis in der Sicht der Welt geprägt ist", so Seipel über den "weltzugewandten Skeptiker", wie Karl Markus Gauß Flora im Katalog bezeichnet.

Des 1922 in Glurns im Vinschgau (Südtirol) geborene Flora durchschaut die Welt, ohne das Abendland retten zu wollen, ohne einen über ebendieses, fast zärtliche Durchschauen hinausgehenden Impetus seinem Werk mitgeben zu müssen. Die Ironie ist bei Flora immer sanft, ohne dadurch weniger treffend zu sein, die Darstellung des Einzelnen - sei es ein winziger Richard Wagner, der am wogenden Busen einer muttergroßen Walküre sitzt, oder die oftmals wiederkehrenden Tiroler in allen Formen - niemals entlarvend. In der innerhalb eines Durchschreitens fast unbewältigbaren Fülle der Ausstellung sorgt so gut wie jede Zeichnung für ein entweder lachendes oder nachdenkliches Aufmerken.

Gedanklicher Zündstoff und skurrile Momentaufnahmen (wie der am Strick baumelnde "Konstrukteur der mißlungenen Brücke", die in der Mitte nicht zusammengehen will): Paul Flora erschafft Zeichnung gewordenen Witz, der nur durch das hintergründige Mitschwingen vergangener oder zukünftiger Katastrophen, persönlicher oder reeller Weltuntergänge möglich wird.

Getragen wird die inhaltliche Fülle von einem Zeichenstil, der in der Zusammenschau eine fast unbegrenzt scheinende Vielfalt im Detail eröffnet - obwohl jede einzelne Zeichnung unverkennbar von Floras Stil geprägt ist. Formenreichtum, geometrische Konstruktionen und manchmal nur schemenhaft Sichtbares ist das Material, aus dem der "Denker und Grübler" (Friedrich Dürrenmatt) Flora seinen Kosmos entstehen lässt. In dem der Rabe übrigens kein besonderer Zeitgenosse ist, wie Flora, der bei der Präsentation ans versammelte Plenum keine Wortspende richten und lieber seine beredten Zeichnungen sprechen lassen wollte, im Katalog erläutert: "Mit denen hat es weiters nichts Geheimnisvolles auf sich. Käufer meiner Zeichnungen wollen mitunter eben Raben, und so zeichne ich mitunter eben solche. Die Kunst geht nach Brot. Shamed be who evil thinks". "Paul Flora. Zeichnungen 1938 -2001". Palais Harrach, 25. 11. bis 12. 1., Öffnungszeiten: Tgl. 10 bis 18 Uhr. Katalog: ISBN 3-85497-045-5, 20 Euro. Info unter Tel. (01) 525 24 - 404.
2002-11-22 13:58:15