Valie Export und
Peter Weibel, aus der Mappe der Hundigkeit,
1968 |
Franz Marc, Die
blauen Fohlen, 1913 |
Louise Bourgeois,
Spinne aus Eisen, 1994 | |
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Ausstellung Auch in der Kunst sind Tiere
Menschen Von Katja Blomberg,
Baden-Baden 25. Jan.
2002 Die Kunsthalle Baden-Baden
hat sich an diesem Freitag in einen Zoo der Grausamkeiten
verwandelt: Da hängt totes Getier am Galgen und wird durch den Dreck
gezogen, während zwei Eisbären zum Vergnügen des Publikums mit Hüten
balancieren und afghanische Hunde angekettete russische Bären
fressen. Das alles ist natürlich nicht echt. Schließlich hat die
Kunst eigene Mittel entwickelt, sich über Film, Fotografie, Plastik
oder Malerei wörtlich und doch distanziert mit der Wirklichkeit
auseinander zu setzen. Ein erster Vorausblick:
"Das
Tier in mir - die animalischen Ebenbilder des Menschen" ist der
letzte Teil einer Ausstellungstrilogie, die vor einem Jahr in
Baden-Baden begann und sich den wichtigsten Projektionsflächen
menschlicher Werte und Gefühle widmet: dem göttlichen, dem Auto und
nun dem Tier. Vor etwa 100 Jahren, als der Maler Franz Marc begann
sich in die Seele des Rehs einzudenken und das Sich-als-Reh-Fühlen
malte, begann das Tier in der Kunst eine völlig neue Rolle zu
spielen: Es wurde bildwürdig. Und zwar nicht nur als Staffage oder
Trouvaille, sondern als Mitgeschöpf des Menschen, das leidet und
Glück empfindet, das sich paart, isst und schläft. Zugleich aber
wurde das Tier Projektionsfläche schlechter Eigenschaften.
Die armen Schweine
"Du blöde Sau", hallt es
immer mal wieder über die Straße. In den Städten laufen "doofe
Ziegen" herum, die von "schnöden Tölpeln" angepöbelt und von "dummen
Hunden" verfolgt werden. Wenn es um die negativen Seiten des
Menschlichen geht - und dazu muss man wissen, dass Tölpel Vögel sind
- fällt die Alltagssprache gern in Bildwelten der Tiere ein. Wir
projizieren böse Emotionen auf sorglose Wesen, die bis vor 100
Jahren noch unser tägliches Leben teilten: auf Schweine und Kühe,
Hasen, Spinnen und Ziegen.
In der Baden-Badener
Ausstellung ist eine große Spinne zu sehen, die die französische
Künstlerin Louise Bourgeois 1994 "Spider" nannte. Die damals
83-jährige Bildhauerin begann, sich bewusst mit ihrer Mutter
auseinander zu setzen, von der Louise immer behauptet hatte, sie sei
eine Spinne.
Dieses Spinne-Sein übersetzte
die weltberühmte Künstlerin ins Greifbar-Räumliche: Zahllose Beine
aus schulterhohem Stahl krümmen sich zu einer Leibmitte, in der ein
Glasgefäß mit einer blau-roten Flüssigkeit hängt. Ins Gigantische
vergrößert, verschafft die alte Frau ihrer Mutter ein sehr
persönliches Denkmal, das mehr ist, als bloße Worte ohne
Dimensionen.
Themen und Namen, ein
zweiter Blick folgt
Andere Werke der Ausstellung
beschäftigen sich mit der Verwertung von Tieren in Schlachthöfen
(Piero Steinle), mit dem Versuch, sie der Schönheit der Menschen
anzugleichen (William Wegman), sie virtuell herzustellen (Kirsten
Geisler), ihr grausam inszeniertes Spiel als Volksspektakel
bloßzulegen (Sigmar Polke) oder ihr bedrohliches Potenzial
hervorzuheben, wie wir es aus Märchen kennen (Stephan Balkenhol). Es
geht um Geburts- und Todesgefühle, um Perversionen des Körpers, wie
sie in Genmanipulationszeiten Realität werden (Sandra Munzel) und es
geht vor allem um die Macht, die der Mensch gegenüber dem Tier
ausübt, nicht ohne zugleich auch dessen Knecht zu sein (Valie
Export/Peter Weibel).
Dem Team um
Kunsthallen-Direktor Matthias Winzen ist eine konzentrierte Schau
gelungen, die nicht durch Material überfordert, sondern mit
bekannten Namen und überraschenden Werken ein Thema präzisiert, dem
auch der Ausgefuchsteste nicht entkommt.
"Das Tier in mir - die animalischen Ebenbilder des
Menschen" Kunsthalle Baden-Baden Lichtenthaler Allee
8 76530 Baden-Baden Tel.: 07221
38590 www.kunsthalle-baden-baden.de Der Katalog (Verlag
Walther König) kostet in der Ausstellung 19,50 Euro Bis
01.04.
Text: @blo Bildmaterial: Kunsthalle Baden-Baden
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