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Vienna Art Week: Über die Schulter

06.11.2009 | 11:11 | von Johanna Hofleitner (Die Presse - Schaufenster)

Die Vienna Art Week gibt sich zu ihrem fünfjährigen Jubiläum erfreulich publikumsorientiert. Eine tägliche Konstante im Programm sind Studiovisits bei Wiener Künstlern.

Begonnen hat alles 2005 während der ersten
Viennafair. Initiiert vom Dorotheum hatten sich Wiens Kunstmuseen, Institutionen und Galerien mit dem Ziel der Vernetzung von Kunst und Wirtschaft unter dem Label „Art Cluster“ zusammengeschlossen und mit Blick auf das speziell zur Kunstmesse nach Wien angereiste internationale Fachpublikum eine Woche lang ein exklusives Rahmenprogramm, bestehend aus Empfängen, Previews und Partys auf die Beine gestellt. Jetzt, fünf Jahre später, feiert das ehemals kleine feine Event sein erstes Jubiläum als großes siebentägiges Fest für die kunstinteressierte Öffentlichkeit. Auf dem Programmzettel stehen Ausstellungsbesichtigungen und Direktorengespräche in den Museen, eine Gallery-Night in rund 50 Galerien, Führungen durch öffentliche und private Sammlungen, Touren zu Kunstwerken im öffentlichen Raum und Beispielen zeitgenössischer Architektur sowie eine Vielzahl von Vorträgen – vom Künstlergespräch zur Lunchtime (Barbara Kruger zur Ausstellung „1989“ in der Kunsthalle Wien) über Diskussionen bis hin zu einer speziellen Performancereihe. Schauplatz ist aber nicht nur der institutionelle Rahmen. Ein täglicher Fixpunkt der Vienna Art Week 2009 sind die Studiovisits mit Kunstexperten bei jungen, aber auch etablierten Künstlern wie auch Architekten. Ein ungewöhnliches Projekt untersucht schließlich nicht nur jene Bereiche, die das Dazwischen und Abseits der Kunst repräsentieren, sondern findet auch ebendort statt: 23 heute in Wien lebende Künstler ost- und südosteuropäischer Herkunft hat Kuratorin Ursula Probst für „The Center of Attention“ eingeladen, um in einem Geschäftslokal in der Radetzkystraße eine „dynamische Ausstellung“ zu inszenieren, die Kunst und Leben miteinander verbindet.

Collabor.at - Die Vernetzer

Collabor.at – das spielt einerseits auf das englische „collaborate“ an: mitarbeiten, mitwirken, zusammenarbeiten. Und es ist andererseits die Webadresse des in stets unterschiedlicher Zusammensetzung agierenden Wiener Künstlerkollektivs rund um Johanna Reiner, Johannes Hoffmann, Maria Calli-garis u. a. 2000 formierte sich die junge Truppe erstmals, um ein kuratorisches Experiment zu starten: „Wir sind mit Themenstellungen an andere Künstler und Experten herangetreten und haben sie eingeladen, sich an einem Arbeitsprozess zu beteiligen und gemeinsam ein Ausstellungskonzept zum Thema zu erarbeiten.“

Mitwirkende waren Künstler ebenso wie Kulturtheoretiker. Angefangen von der ersten Aktion im Wiener Offspace „Futuregarden“ –
„issue 01“, einem dreitägigen Projekt rund um Sehnsucht, kollektives Bewusstsein und individuelle Träumereien, zu der 18 Künstler um Beiträge gebeten wurden – bis hin zu Großprojekten wie im Sommer 2006 „Grüße an die Nachbarinnen“, einer Aktion im öffentlichen Raum, für die sieben mit einer Möbelinstallation bestückte Flöße im Lunzer See vertaut wurden, ist das Interesse am sozialen Zusammenwirken als Grundgedanke spürbar. So ließen collabor.at beim Kunstfestival „Sino-pale“ 2008, einer alten türkischen Zeremonie folgend, als Symbol für das kulturelle Erbe der Türkei ein Bootswrack durch die Stadt tragen, das sie zuvor am Bootsplatz aus Holzresten gezimmert hatten. Und in Wien kehrten sie zu Beginn dieses Jahres anlässlich eines Projekts für das TanzQuartierWien das Innerste nach außen und projizierten die Geschehnisse im Inneren während der Abenddämmerung auf die Fassade, um diese mittels experimenteller Projektionstechnik zum
Verschwinden zu bringen.

Studiovisit: Mittwoch, 18. 11., 15 Uhr


Lisa Ruyter - Die Aufmischerin

 

Die weißen Wände in Lisa Ruyters Atelier in der Nähe der Karlskirche sind hoch. Das braucht es auch, denn die Bilder, die die gebürtige US-Amerikanerin malt, sind formatfüllend. Seit sechs Jahren lebt sie in Wien, einen Teil der Zeit war sie auch als Galeristin aktiv. „Ich mache gern großformatige Arbeiten, weil ich das Gefühl mag, so auf einer Art Bühne zu stehen“, sagt sie. Lisa Ruyter hat dieses distanzierte Verhältnis zu ihren Arbeiten gern. Das spiegelt sich nicht nur in den grellen, fast giftig anmutenden Acrylfarben, die sie verwendet, sondern auch in ihrer extrem schablonenhaften Malweise, bei der die Kontraste stark sind und die Flächen sich klar gegeneinander absetzen.

Distanz ist in ihrer Kunst gleichsam Programm, doch der Weg dahin das Ziel. Lisa Ruyter malt sich die Bilder, an deren Beginn stets ein selbst aufgenommenes Foto steht, gleichsam vom Leib. Egal, ob es sich dabei um persönliche Aufnahmen von Freunden handelt oder von exponierten Locations wie etwa die Internationale Atomenergiebehörde oder die Vereinten Nationen. „Ich verwende immer ein eigenes Foto, um in direkter Beziehung zu meinen Lebenserfahrungen zu bleiben“, sagt sie. „Das sind ja keine typischen Kunstsujets. Dass ich an diese Orte gelange, ist ebenso eine logische Folge meines Lebens als Künstlerin wie die Aktionen mit Freunden.“ Da steckt auch die persönliche Botschaft drin, die sie in ihre Bilder verpackt, um sie am Ende in die Welt hinaus zu entlassen, damit sie dort anfangen, ihr Eigenleben zu entfalten. „Ich liebe es, wenn meine Bilder abgeholt werden“, sagt sie. „Das ist der Moment, in dem andere die Chance haben, sich darauf einzulassen, wodurch sich für mich neue Sichtweisen erschließen.“

Studiovisit: Freitag, 20. 11., 11 Uhr


Klaus D. Zimmer - Der Biker

 

Wie viel Platz braucht man zum Downhillen? Nun, ein richtiger Bikepark wie der am Semmering mit seinen eingebauten Rampen, Schanzen und Singletrails mitten im Wald ist natürlich ideal. Zur Not tut’s aber auch ein Raum, findet Klaus D. Zimmer und funktioniert sein 100 Quadratmeter großes Atelier in der Westbahnstraße im siebten
Bezirk ab und zu schon mal zum Mountainbikerevier um. Denn Kunst und Mountainbiken gehen für ihn dort wie da eine Symbiose ein, ob der Zusammenhang nun auf den ersten Blick so
augenfällig ist wie im Atelier oder
Ausstellungsraum oder erst auf den zweiten Blick, und das auch nur für Kunstinsider, sichtbar ist.

Für den gebürtigen Deutschen, der seit seiner Studienzeit in Wien lebt, steht die Auseinandersetzung mit Geschwindigkeit, Dynamik und Fortbewegung seit vielen Jahren im Zentrum seiner Kunst. „Ich beschäftige mich tagtäglich damit“, sagt er. Damit befindet sich Zimmer in guter Gesellschaft und in einer Tradi-tion, die auf die US-Kunst der 1960er- Jahre zurückgeht, sei es die Pop-Art, Konzeptkunst oder die Hard-Edge-Malerei. Ein mehrjähriges Fotoprojekt etwa widmete er parkenden Autos, Lieferwägen, Lkw. Was ihn am Biken interessiert? „Mich interessiert dieses Spannungsfeld außerhalb des urbanen Raums“, sagt er. „Beim Mountainbiken sitzt du nicht immer auf dem Rad, sondern bist auch oft zu Fuß unterwegs. Da gibt es lange Einheiten, wo du das Bike nur bergauf schiebst und viel Zeit zum Nachdenken und Konzipieren hast. Dann, beim Bergabfahren, wird der Kopf plötzlich ganz frei! Das ist gut für die Kunst!“ Der Output sind Zeichnungsserien, Fotos und Installationen, die von der Künstlichkeit, Konstruiertheit und den Fantasien dieser Freizeitentwürfe mitten in der Natur erzählen und sie auf diese Weise zurück in den
urbanen Kontext einschleusen.

Studiovisit: Mittwoch, 18. 11., 15 Uhr


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