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Piano: „Das Belvedere darf nicht gestört werden“

05.11.2008 | 18:20 | MARTIN STUHLPFARRER (Die Presse)

Renzo Piano, italienischer Stararchitekt, über das historische Erbe und die moderne Architektur in Wien.

WIEN. Renzo Piano ist ein außergewöhnlicher Mann. In San Francisco hatte er als Zeichen für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur ein Bürogebäude entworfen, auf dem Bäume wurzeln (das einzige seiner Art in den USA). Seinen Beruf beschreibt er als „den schönsten der Welt“, die Arbeit an architektonischen Entwürfen als „eines der großen möglichen Abenteuer“: Renzo Piano ist einer der wenigen Stararchitekten, die diese Bezeichnung wirklich verdienen. Am Dienstagabend weilte der Italiener, der mit dem „Nobelpreis der Architektur“ (Pritzker-Preis) ausgezeichnet wurde, in Wien und stellte sich im Rahmen des Architekturjahres 2008 auch den Fragen der „Presse“.

Was hält Renzo Piano von der modernen Wiener Architektur, die Konflikte mit den Bewahrern des historischen Erbes der Stadt nicht scheut, manchmal sogar provoziert? „Ich habe die Twin Towers von Massimiliano Fuksas am Wienerberg gesehen. Das ist großartige Qualität.“ Nachsatz: „Ein Meisterstück ist aber das Postsparkassenamt von Otto Wagner. Jedes Mal, wenn ich dort hinkomme, ist es, als würde ich in die Kirche gehen.“

 

„Ich wurde fast gelyncht“

Wenn in Wien die Verfechter des historischen Erbes und die Modernisierer ihre Fronten aufbauen: Auf welcher Seite würde ein Kosmopolit der Architektur stehen, der weltweit, unter anderem in Frankreich, Italien, Japan und den USA, seine Spuren hinterlassen hat? „Die Diskussion gibt es nicht nur in Wien“, meint der 71-Jährige: „Ich wurde damals fast gelyncht, als wir die Kultur-Raffinerie (Centre Pompidou für moderne Kunst, Anm.) mitten in Paris gebaut haben.“ Nachsatz: „Wir müssen würdevoll mit unserer Vergangenheit umgehen, gleichzeitig müssen wir die Zukunft suchen.“

Eine sehr diplomatische Antwort. Zu diplomatisch? „Ich bin dankbar für die Vergangenheit. Ich bin Italiener und an einem Ort der Kunst (Genua, Anm.) aufgewachsen“, so Piano: „Aber der einzige Platz, zu dem wir gehen können, ist die Zukunft.“ Was bedeutet das für Wien? „Man darf nicht aggressiv gegenüber der Vergangenheit sein. Projekte, die nahe am Belvedere gebaut werden, dürfen das Weltkulturerbe nicht stören.“

„Zu behaupten, die Zukunft sei wichtiger als die Vergangenheit, ist dumm.“ Nach einer Gedankenpause: „Man kann durch eine zu große Hinwendung zur Vergangenheit allerdings paralysiert werden.“ Architektur, die versöhnlich mit der Vergangenheit umgeht, sei sowieso zeitlos, ist Piano überzeugt, „wie die Bilder von Gustav Klimt“. Trotzdem sei es sinnlos, die Vergangenheit zu kopieren: „Eine zweite Wiener Oper zu bauen ist sinnlos – obwohl ich die Wiener Oper wirklich liebe.“


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