Kultur

Museen im Zahlenrausch

06.06.2007 | SN
Museen setzen zu sehr auf Events und Besucherrekorde. Der Blick auf die Basisarbeit drohe verloren zu gehen, warnt der Museumsberater Dieter Bogner. HEDWIG KAINBERGER

Hedwig Kainberger Interview Seit die Albertina, die als "grafische Sammlung" weltberühmt geworden ist, private Sammlungen von Gemälden der klassischen Moderne - zuletzt jene von Forberg und Batliner - als Dauerleihgaben übernommen hat, ist die Empörung über das Wirrwarr der Bundesmuseen neu geschürt. Edelbert Köb, Direktor des Museums Moderner Kunst (Mumok), beklagt in einem Brief an "kulturpolitisch engagierte Redaktionen" diese "unkoordinierte museologische und kulturpolitische Kontinentalverschiebung" und regte eine Grundsatzdebatte an. Die SN befragten dazu den Museumsberater Dieter Bogner.

In den letzten Jahren wurden Museen in Österreich grundlegend verändert. Ist an dieser Entwicklung alles erfreulich?

Bogner: Es gab eine Gründerwelle auf Basis der Strukturen des 19. Jahrhunderts. Vor allem die Landesmuseen werden auf heutige Standards gebracht, weil diese Museen jahrzehntelang mangels Investitionen zurückgefallen sind und es folglich an Interesse und an Kontakt zur Bevölkerung gefehlt hat.

Zudem ist Österreich der weltweiten Bewegung gefolgt und hat in fast jedem Bundesland in Museen der Moderne investiert.

Doch obwohl jetzt viel nach- und aufgeholt ist, wird überregional noch immer viel zu wenig wahrgenommen, dass diese Landesmuseen eine Grundstruktur der österreichischen Museumslandschaft sind.

Aber sonst alles paletti?

Bogner: Nein. Zum Beispiel nehmen Politiker und Besucher nur die Hälfte von Museen wahr, nämlich nur die Ausstellungsräume, also gleichsam die Auslage. Übersehen wird, dass dahinter eine Produktionsmaschinerie sein muss, also Depots, Technik und Know-how. Das Salzburger Museum der Moderne auf dem Mönchsberg ist zu neunzig Prozent Auslage, auf dem Berg gibt es fast keine Infrastruktur.

Wird auch genügend beachtet, dass ein Museum auch Substanz, also eine eigene Sammlung, braucht? Bogner: Ich befürworte, in den Ausbau der Sammlungen zu investieren. Und ich kritisiere dieses Feuerwerk an Leihgaben, die die Augen verschließen vor der Notwendigkeit, selbst zu sammeln. Es ist besser, eine Sammlung langsam auszubauen, als das Museum mit Leihgaben zu verstopfen. Mit Leihgaben soll man nur punktuell arbeiten, doch nicht mit Komplexen, wie es die Albertina jetzt begonnen hat. Was ist daran problematisch? Bogner: Die Albertina ist zur Kunsthalle geworden. Gemacht wird, was man kriegt - Hauptsache es bringt Besucher und kommt in die "Seitenblicke". Mit der Aufnahme von Privatsammlungen als Dauerleihgabe setzt sich das Museum unter permanenten Druck der Leihgeber.

Ist diese Gier nach Event und Rekord nur in der Albertina oder eine Tendenz in allen Bundesmuseen? Bogner: Es ist eine allgemeine Tendenz, dass mehr Augenmerk auf Medienöffentlichkeit als auf inhaltliche Strategien gerichtet wird. Oft wird gemacht, was schick ist, statt langfristig zu konzipieren und quer oder gegen den Strich zu bürsten.

Eigentlich sollten die Bundesmuseen - wären sie professionell als Holding geführt - im Ganzen mehr sein als die Summe der Teile. Aber jetzt tut jeder Museumsdirektor irgendwas. Daher ist das Ganze weniger als die Summe der Teile.

Was ist derzeit schick?

Bogner: Es werden berühmte Namen rauf und runter dekliniert. Viele zeigen Klassische Moderne, weil das niemanden mehr aufregt. Das ist eine Pseudomoderne. Das ist Allerweltskultur. Doch Museen müssten aufregend sein!

Was hat dies für Konsequenzen?

Bogner: Produziert wird für schnelllebige Events, gemacht werden spektakuläre Sonderausstellungen, die eine nach der anderen heruntergejagt werden. Das Interesse an gesellschaftlicher Relevanz, an neuen Impulsen schwindet.

Es dominiert das Quantitätsdenken. Alles wird über den Kamm der Besucherzahlen geschoren.

Und alle stürzen sich auf die paar großen Häuser. Und jene, die keine Blockbuster bieten, werden immer weniger beachtet. Die Großen verstellen den Blick auf die 90 Prozent der mittleren und kleinen Museen, die die Basisarbeit machen.

Was ist ein Beispiel für ein derart "verstelltes" Museum?

Bogner: Nehmen Sie das Salzburger Barockmuseum. Das ist ein Juwel. Trotzdem werden Sie damit kaum die Titelseite der "New York Times" erreichen. Wenn das auf heutigen Stand gebracht ist, kann man dort erstklassige Kunsterlebnisse haben.

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