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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
04. Mai 2006
19:06 MESZ
Von Anne Katrin Feßler

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mumok.at

Bis 16. Juli  
Foto: Hoffenreich
Im Bandagenkostüm, mit Rasierklingen verziert: Heinz Cibulka, eingewickelt vom Aktionisten Rudolf Schwarz-kogler, der 1969 im Alter von 28 Jahren starb: "3. Aktion. Sommer 1965".

Überblick mit Katalogfortsätzen
Bewährt, bewahrt: "Wiener Aktionismus. Die Sammlung Hummel" im Mumok

Wien - "Wieso zeigt man heute noch eine Ausstellung zum Wiener Aktionismus?" - Manchen Freundinnen ist man für ihre simplen, treffenden Fragen auf ewig dankbar. So passiert gerade eben bei einem Telefonat nach der Pressekonferenz im Wiener Mumok: Unter dem Titel "Wiener Aktionismus" stellt man nun dort die "Sammlung Hummel" aus.

Es gibt zahllose treffliche Gründe. Ganz sicher, weil das Publikum mit Ausstellungen über den Wiener Aktionismus noch nicht genügend gesättigt ist. Es dürstet nach mehr Themen- und Überblicksschauen, die in Klosterneuburg, Wien oder Salzburg zumindest zwei komplette Säle mit Otto Mühl, Hermann Nitsch, Günter Brus und Rudolf Schwarzkogler füllen können.

"Weil der Wiener Aktionismus neben der Wiener Kunst um 1900 das international bekannteste Kapitel österreichischer Kunst- und Kulturgeschichte ist", lautet die erste Antwort. Aktionismus und Körper, so erklärt Hubert Klocker im Katalog, ist zweifellos einer der zentralen Parameter in der österreichischen Kunst nach 1950. Wenn man weiterliest, erscheint es fast so, als hätte nie etwas anderes existiert: Keine Abstraktion, keine Wiener Gruppe, keine Neue Malerei der 80er ... Allüberall Aktionismus aus Wien. Dem muss allein aus reiner Wiedergutmachung gehuldigt werden. Allzu viel wurde er in den 60er- und 70er-Jahren geschmäht, bestraft und abgelehnt. Kein ideeller Rückhalt, kein ökonomischer Markt und kein Ausstellungsraum. Arg.

Nur zwei Protagonisten sammelten schon früh. Wie Kurt Kalb erkannte Julius Hummel schon in den 70ern die Qualität der Aktionisten und hatte, so gesteht Direktor Köb, ein, "freies Feld" für Qualität in quantitativster Form.

Im Untergeschoss, dort wo sonst die eigene - wohl bescheidenere - Dauerausstellung zum Thema gezeigt wird, werden die großen Vier, die nie "Gruppe", so Nitsch, sondern "Notgemeinschaft" waren, in monumentaler Deutlichkeit präsentiert. Nitsch, der sich nie vom Performativen verabschiedete, breitet sich von früher Aktionsmalerei bis zu den jüngsten Passionsspielereien aus. Brus, der schon 1970 mit den brachialen "Selbstverstümmelungen" Schluss machte, wird fein säuberlich vom späteren Bildtextwerk abgetrennt. Zur gleichen Zeit wendet sich Mühl, dessen erste Errungenschaft die Destruktion des Tafelbildes war, ebendiesem wieder zu. Allein Schwarzkoglers durch den frühen Tod kompaktes Werk präsentiert sich als solches.

Hummels Sammlung zeichnet sich dadurch aus, die Aktionisten Wiener Herkunft im Rahmen einer internationalen, revolutionären Entwicklung einzubetten, mit kulturhistorischen Verweisen auf Wilhelm Reich und Sigmund Freud zu verweben und bei den geistigen und formalen Erben und Verwandten des Uraktionismus - hier und in Übersee - weiterzusammeln.

Statt diese Nahverhältnisse aber auch visuell greifbar zu machen, werden sie in einem separaten Raum zusammengestopft, der eher wie ein alibi-mäßiger Katalog-Annex funktioniert. Über- und hintereinander: Export, Rainer, Wurm, West, Krystufek, Gelitin sowie die US-Aktions-Prinzen Nauman und McCarthy, garniert mit Schlingensief'scher Aktions-Postmoderne. Übrigens: Das Mumok'sche Jahr des Sammelns ist fast vorbei. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.5.2006)


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