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Das Wunder von Basel

Die Messe Art Basel ist das einflussreichste Ereignis des Kunstmarkts. In diesem Jahr wird sich vor allem eines zeigen: Wie erfolgreich ist die hoch gelobte junge deutsche Malerei?

von Gabriele Thiels

Man könnte meinen, das Beste liegt schon hinter ihnen. Jahrelang haben die Brüder Frank und Ralf Lehmann, Galeristen aus Dresden, "die fantastischsten Bilder auf Messen gezeigt, und kein Mensch wollte sie kaufen". So erinnert sich Frank Lehmann: "Ich habe das gemocht." Es gab den Künstlern Zeit, sich zu entwickeln. Vorbei.

Die Galerie Gebrüder Lehmann verzeichnete im vergangenen Herbst Rekordverkäufe auf der Avantgarde-Messe Frieze Art in London und war nach der New Yorker Armory Show im Frühjahr ausverkauft. Jetzt wird sie erstmals regulär an der Art Basel teilnehmen, der weltweit besten, größten und wichtigsten Messe für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts.

Jedes Jahr bewerben sich rund 850 Galerien um 270 Plätze, und die von Frank und Ralf Lehmann ist als eine von gerade zwei deutschen (neben Jule Kewenig, Köln) neu dabei. Das gilt in der Branche als Ritterschlag. Er wurde den Brüdern zuteil, weil die Kunst, die früher keiner kaufen wollte, heute international begehrt ist: die junge deutsche, realistische Malerei. Damit das jeder Messebesucher begreift, geben die Galeristen ihr Messe-Debüt mit dem 2,70 mal sieben Meter großen Gemälde - einer Arbeit von Tamara Doll, die ihr Faible für schwere Autos und Riesenformate dieses Mal an einem weißen Müllwagen ausgelebt hat. Natürlich haben die Lehmanns auch zwei Arbeiten von Eberhard Havekost dabei, der mit ihnen groß wurde - und sie mit ihm. Nach Fotovorlagen malt er Bilder von Schrottplätzen, Berliner Hinterhöfen oder von Kameras an einem Sportfeld. Der Kontur der Dinge verleiht er dabei einen samtigen Schimmer, sodass sie fast greifbar erscheinen. Es sind Bilder auf dem schmalen Grad zwischen Selbstreflexion und Dekoration, zwischen poetischem Realismus und Salonmalerei. "Es ist ja nicht schlecht, wenn ein Bild schön ist, aber ein schönes Bild ist nicht gleich gut", sagt Frank Lehmann.

Und eigentlich hat er damit auch die ganze Diskussion über die Malerei und ihren rasanten Erfolg zusammengefasst. In den letzten Wochen hat man sie ihm mit einer neu erwachten Sehnsucht nach Schönheit zu erklären versucht, "Art" verstand sie als eine Gegenreaktion auf die verkopften Konzepte der letzten Documenta und der Biennalen in Venedig und Berlin, Max Hollein sah darin in dieser Zeitung den Ausdruck einer neuen Romantik, und im "Spiegel" bekannte sich der neue Documenta-Chef schon mal generell zur Schönheit in der Kunst.

Das ist die Theorie. Ab Mittwoch, wenn die Art 35 Basel beginnt, lässt sie sich mit der Realität abgleichen. Dann wird sich die "Young German Art", wie sie auf der Armory Show noch als Marke verkauft wurde, einfügen in die breite internationale Strömung der figurativen Malerei. Es könnte ihr nichts Besseres passieren.

Tim Eitels melancholische (Seelen-)Landschaften etwa, die die Galerie Eigen + Art aus Leipzig und Berlin zeigt, wirken dann wie ein Gelenk zwischen Elizabeth Peytons Porträts (Brown, New York, bietet einige Zeichnungen sowie Gemälde aus den späten 90er-Jahren an) und den durch die Ton-in-Ton-Farbgebung hypnotisch wirkenden Gruppenbildern der jungen Schottin Kaye Donanchie (bei Interim Art, London). Die Crashspuren, die Frank Nitsche (Gebrüder Lehmann) in Pastellfarben malt, erscheinen wie ein dreidimensionaler Ausschnitt aus den modularen Rastersystemen, die Sarah Morris entwickelt. Ihre Arbeiten sind bei Max Hetzler (Berlin) zu sehen. Und der Kosmos, den der Kalifornier Thaddeus Strode (Neugerriemschneider, Berlin) auf seinen großformatigen Arbeiten in Mischtechnik aus Comic-Gestalten, Märchenfiguren und Wortstücken montiert, erscheint fast wie eine ironische Variante von Jonathan Mieses pathetischen Leinwand-Barbareien. Mieses Berliner Stammgalerie Contemporary Fine Arts zeigt von ihren Künstlern in diesem Jahr ausschließlich Plastiken: einen Beton-Zeppelin von Sarah Lucas, zwei überdimensionale Stoffbälle (mit Tentakeln) vom Dänen Tal R und von Meese selbst die soeben fertig gegossene Bronzebüste "Das Bildnis des Dr. Fu Manchu". Die Entscheidung zum Dreidimensionalen ist Konzept. "Wir wollten bewusst eine andere, sperrigere Seite unserer Künstler hervorheben", sagt Galerist Bruno Brunnet. Ein wenig ist die Entscheidung wohl auch der Knappheit geschuldet. Denn von Daniel Richter, ebenfalls bei Contemporary Fine Arts ("Ich bin die Galerie", wie er manchmal gut gelaunt sagt ...), von Daniel Richter also wird es dieses Jahr kein Bild auf der Messe geben. "Wir würden ja gern was zeigen", sagt Bruno Brunnet, "aber es gibt keine neuen Arbeiten." Alles ausverkauft, in New York, bei der Einzelschau "The morning after" der Galerie Zwirner, die deshalb ebenfalls keines der starkfarbigen, am Historienbild geschulten Großformate mit nach Basel bringen kann. Und auch nur zwei brandneue Gemälde von Neo Rauch, dem anderen großen Vertreter der neuen deutschen Malerei. Macht zusammen mit den beiden Arbeiten "Das Unreine" (2004) und "Suche" (2004) bei Rauchs Hausgalerie "Eigen + Art" vier. Doch vermutlich werden alle schon mit dem roten "Verkauft"-Punkt anreisen, weil es für Neo Rauchs Gemälde lange Wartelisten gibt.

Richtig erfolgreich ist Kunst eben erst, wenn sie rar wird.

Man kann das als Zeichen eines völlig überhitzen Marktes verstehen. "Was sich unglaublich verändert hat", sagt der Werbeprofi und Kunstsammler Christian Boros, der Stars wie Tillmans und Peyton schon vor 15 Jahren sammelte, "ist, dass heute alle Galeristen eine rigorose Zuteilungsstrategie verfolgen."

Artikel erschienen am 13. Juni 2004

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