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Auch Dokumentationen früherer Aktionen (hier aus dem Jahr 1967) sind in Schärding zu sehen.
von
Irene Judmayer
SCHÄRDING: Kompakte Retrospektive von Günter Brus in der Galerie am Stein
Sich selbst ad absurdum geführt
"Ich habe damals die Bearbeitung der Leinwand auf den weißen Grund meines Körpers transferiert", sagte der Künstler Günter Brus im OÖN-Interview. "Ich habe also die Farbe der Leinwand auf den Maler selbst übertragen und in Folge musste dann eben direkt der Körper angegangen werden."

"Günter, du landest noch in Steinhof", hatte ihn 1965 ein Freund gewarnt. Und noch heute bewirken selbst bloße Fotodokumente des extremen Umgangs mit dem eigenen Körper, über den Brus damals seine Kunst transportierte, bei manchen eine Umkehrung der Peristaltik. Brus: "Das wurde dann letztlich zur Zerreißprobe. Aber eben Probe und nicht zerreißen." Darum sein Wechsel zur Zeichnung.

In der Schärdinger Galerie am Stein ist bis 29. November eine kompakte Retrospektive des einstigen abstrakten Expressionisten und Aktionisten zu sehen. In exemplarischen Beispielen ist sein Übergang zur Bilddichtung gut nachzuvollziehen.

Titel "Ohne Titel"

Von frühen Dokumentationen der Aktionen bis herauf zu den letzten Arbeiten, bei denen er seinen tastenden Strich mit ausgeschnittenen, aufgeklebten Drucken collagiert. Als müsste er jetzt künstlich zusammenhalten, was auseinanderbricht. Aber noch immer in gewohnter Doppelbödigkeit, mit der sich der Text/Bild-Jongleur auch im Titel der Ausstellung ad absurdum führt: "Ohne Titel" nennt er diese Werkpräsentation nämlich.

Sie zeigt viele jener Werke, deren Inhalte auf den Blättern in aller - wenn auch wortspielerischer - Präzision definiert sind: "Nur noch 2 Weltreligionen: Internet und Esoterik" heißt es etwa in einer sowohl thematisch als auch formal zwingend bewältigten Zeichnung. Und "Erflehe, mein Kind, keine Wiedergeburt. Das Erdreich wird zur Dornenplantage. Im Bauch der Mutter die Hornisse surrt. Beziehe im Schlaf Deine Alptraumgage" im Zyklus "Gedichte zur guten Nacht".

Trügerisch ist die Existenz, und der in seinem Leben Über-alle-Grenzengänger Brus weiß auch in jeder Konsequenz darum. Schwer krank musste er der Vernissage, die zugleich seinen 68. Geburtstag nachfeiern sollte, am Freitag fernbleiben. Gekommen waren jedoch viele Künstlerfreunde (darunter Rainer, Auer, Frohner, Pils).

Und auch der pure Zynismus war Gast, wenn man jenem Sammler lauschte, der noch "bevor die Preise in die Höhe schnalzen, schnell zuschlagen" will ...

Info: 07712 / 51 30; Preise bis 45.000 Euro

OÖnachrichten vom 09.10.2006
 
   



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