Salzburger Nachrichten am 8. September 2006 - Bereich: Kultur
Kunst ist wie ein Witz Das Niederösterreichische
Landesmuseum hat sich dem Thema "Farbe" verschrieben. Ein scheinbar weißer
Raum ist mit Farbe bemalt, die das Auge nicht sehen kann. HEDWIG
KAINBERGER
Hedwig Kainberger St. Pölten (SN). "Die Farbe hat mich. Ich bin Maler."
Dieses Zitat Paul Klees ist einer von vielen Texten, mit denen das
Niederösterreichische Landesmuseum seine neue Ausstellung illustriert.
Einige Künstler haben eigens dafür Gedanken über Farben niedergeschrieben
(siehe Kasten). Die Ausstellungen mit den Titeln "Abenteuer Farbe"
(Naturwissenschaft), "Medium Farbe" (Landeskunde) und "Spektrum Farbe"
(Bildende Kunst) sind ab heute, Freitag, zugänglich. Erstmals in seiner
vierjährigen Geschichte stelle das Landesmuseum alle Bereiche unter ein
einziges Thema, die Farbe, sagte Museumsdirektor Carl Aigner im
Pressegespräch am Donnerstag in St. Pölten. In einer Vitrine im Schauraum für Landeskunde liegt neben einer
Wachauer Goldhaube ein schwarzes Obermieder, typisches Gewand einer
Bürgerin des 17. Jahrhunderts. Die Farbe Schwarz symbolisierte damals
Anstand, Mäßigung, Frömmigkeit und Würde und war Gegensatz zur adeligen
Farbenpracht, die mit Müßiggang und Ausschweifung assoziiert wurde. Um 300 Jahre jüngere schwarze Exponate vermitteln andere Botschaften:
Bei den Kunstwerken seit 1945 hängen vier Bilder Josef Danners. Dieser hat
schwarze Farbe auf Leinwand aufgetragen. Da aber die Oberfläche manchmal
rau, manchmal glatt ist, da die Farbe dünn oder dick aufgetragen ist, sind
helle und dunkle Flächen auszumachen. Das weckt Zweifel an der
Schulweisheit, Schwarz sei keine Farbe. Ein Bild Leo Zogmayers ist eine weiße Acrylfarbfläche hinter Glas, in
das kleine schwarze Rechtecke eingemalt sind. Also farblos? Der Künstler
hat dazu den Satz geschrieben: "Farbe ist auf-fälliges Licht." Im Erdgeschoß der Ausstellung von Kunst nach 1945 sind die Bilder und
Lichtinstallationen nach Themen sortiert. Beim Monochromen etwa ist ein
hohes Bild Susanne Fritschers, die einen fließenden Übergang von weiß zu
grau gemalt hat. Je länger man hinschaut, desto undeutlicher wird dieser
Graubereich. Im Saal der "Exakten Tendenzen" verwundert aufs Neue, dass
Künstler wie Kurt Ingerl lange bevor es Computer gab so gemalt haben, als
hätten sie Pixel und elektronische Schaltungen vorausgeahnt. Im ersten
Stock hängen chronologisch einige Klassiker der Sammlung - von Herbert
Boeckl oder Adolf Frohner. Weiße Wände üppig, aber unsichtbar bemalt Der in Wien lebende Künstler
Werner Reiterer hat zwei Tage lang einen Raum in St. Pölten gestaltet,
doch zunächst ist nichts zu sehen. Denn die "Farbe", die er mit Pinsel auf
die Wände gemalt hat, ist ein Aufheller, wie er Waschmitteln beigemengt
ist. Dessen Wellenlänge liegt außerhalb des Spektrums, das das Auge
erkennt. Mit Hilfe einer röhrenförmigen Schwarzlichtlampe wird sie
sichtbar. Wer Reiterers Kunst betrachten will, muss mit der Lampe die
Wände abtasten. Zu entdecken sind philosophische Sätze und Witze. Denn: "Gute Witze
funktionieren ähnlich wie Kunst, an einem bestimmten Punkt kippt es",
erläutert Werner Reiterer. Die Worte "Wo es spiegelt" sind an einer Kante abgeschnitten, doch
mühelos zu lesen. Allerdings: Der den Schriftzug vollständig machende
Spiegel ist nicht an der Wand, sondern im Kopf des Betrachters. Reiterer spielt mit der Eigenart des Menschen, so lange über etwas
nachzudenken, bis ein Wort dafür gefunden ist. Doch das Gefühl, etwas
begriffen zu haben, wenn es benannt ist, trügt. Daher ein anderer Satz:
"Jetzt, wo Du mich begreifst, verstell ich Dir die Sicht."Bis 18. Februar,
Landesmuseum in St. Pölten, Internet: www.landesmuseum.net |