Die Lichtbringerin | |
Die in London lebende Baukünstlerin Zaha Hadid im Gespräch über Stadtplanung in Wien und ihr Projekt für die Spittelau.
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"Ich bin keine Spezialistin für Wiener
Stadtplanung, aber da ich jetzt in Wien lehre, werde ich da wohl einiges
nachholen müssen". Die in Bagdad geborene, in London arbeitende und seit
diesem Jahr an der Universität für Angewandte Kunst in Wien lehrende
Architektin Zaha Hadid (50) ist vielleicht nicht gerade als Stadtplanerin
bekannt, dennoch zählte sie zu den Stars des vom Publikum förmlich
gestürmten Symposiums "Zukunft der Städte" am Dienstag und Mittwoch im
Wiener RadioKulturhaus. Komplexe Präsentation Mit Skizzen und Zeichnungen stellte Hadid ihre Gedanken über die
Organisation von Räumen und Plätzen dar, aus denen sich konkrete
Raummodelle entwickeln; unterstützt von einer fulminanten Videoanimation
präsentierte sie einige ihrer aktuellen Projekte, mit denen die Exponentin
der dekonstruktivistischen Architektur in den kommenden Jahren ihren Ruf
der bedeutenden Baukünstlerin auch in der Praxis unterstreichen möchte.
Denn bislang konnte sie erst mit wenigen Bauten wie dem
Vitra-Feuerwehrmuseum in Weil am Rhein unter Beweis stellen, dass jene
Unrecht haben, die munkeln, ihre aufwendig gestalteten Präsentationen
versprächen mehr Glanz als ihre Bauten in Wirklichkeit einlösen
könnten. Projekt Spittelau Neben Kunstmuseen in Cincinnati und Rom, einem Hotel in Lugano und
einem Wissenschaftszentrum in Wolfsburg stellte sie im Parforceritt
gestalterischer Fantasie und geometrischer Strenge auch zwei
österreichische Projekte vor, die nach langer Planungsphase nun endgültig
ihrer Realisierung entgegensehen dürften. Eines davon befindet sich in
Wien. Für das städtebauliche Brachland an der Spittelauer Lände zwischen
U-Bahn, Wirtschaftsuniversität und Müllverbrennungsanlage plant Hadid eine
raffinierte spangenförmige Überbauung der funktionslos gewordenen
Stadtbahnbögen Otto Wagners. "Dadurch, dass Otto Wagners Viadukt nicht
mehr für den Verkehr genutzt wird, ist er zur Landschaft, zum Gelände
geworden. Die spezielle Geometrie des Ortes interessiert mich sehr." Für die gemischte Nutzung sind Wohnungen und Büros ebenso vorgesehen
wie Geschäfte und Bars. Schließlich will Hadid eine Belebung des
Donaukanalufers erreichen. "Die freie Bewegung der Menschen von der Straße
in Gebäude halte ich für wichtig. Im Erdgeschoß lassen sich Begegnungs-
und Veranstaltungsräume gestalten, die für das Stadtleben enorm wichtig
sein können. Negativbeispiele lassen sich derzeit in Berlin studieren.
Viele Neubauten schließen sich dort ab und wirken wie Festungen."
Baubeginn des Projekts soll im kommenden Frühjahr sein, mit einer
Fertigstellung ist bis 2004 zu rechnen. Tabubrecherin Wie beurteilt sie die Städteplanung in Wien? "Interessant ist, dass in
Wien - ähnlich wie in Venedig - das Zentrum immer sakrosankt war. Es ist
für die Entwicklung jeder Stadt schwierig, wenn es Tabuzonen gibt. Dadurch
wird der Stadtkern zu einem historischen Monument, das nicht neu
interpretiert wird. Dabei besteht die Gefahr, dass er zum Fossil wird. So
erreicht man, dass die bauliche Zerstörung verhindert wird, die
programmatische Zerstörung aber fortschreitet." Zaha Hadid betrachtet deswegen auch die umfangreichen baulichen
Aktivitäten etwa im Bereich der Donau oder des Wienerberges mit gemischten
Gefühlen: "Ich finde es seltsam, Schutzzonen auszurufen und nur an den
Rändern eine Stadt weiterzuentwickeln. Das verschafft zwar größere
Freiheiten, gleichzeitig vermeidet man jene Integration der
verschiedensten Dinge, die eigentlich anzustreben wäre." Projekt Berg Isel
Das zweite österreichische Projekt, das Zaha Hadids Londoner Büro seit
längerem beschäftigt, ist der Neubau der Skisprungschanze in Innsbrucker.
Der spektakuläre Entwurf, der heuer auch als Teil des österreichischen
Beitrags bei der Architekturbiennale in Venedig gezeigt wurde, hätte sich
eigentlich bereits im kommenden Jänner als fertig gebaut präsentieren
sollen. Doch jetzt scheint endgültig Grünes Licht gegeben worden sein:
"Alle Probleme, die es gegeben hat, schienen gelöst. Wir starten bald die
Detailplanung und versuchen im nächsten Jahr damit fertig zu sein." Mobile Architektur Noch ein drittes Mal wird das österreichische Publikum in nächster Zeit
mit einer Arbeit Hadids konfrontiert werden. Die Architektin, die auch
bereits mehrere Ausstellungsgestaltungen besorgte, betätigt sich
gelegentlich als Bühnenbildnerin. Den Pet Shop Boys baute sie eine
bewegliche Konzertbühne, für die Charleroi Dance Company entwarf sie eine
Ausstattung, in der die Tänzer mit ihren Kostümen zum Teil des von ihr
gebauten Ambientes wurden. Für die Brücken auf der Bühne verwendete sie
das gleiche Material wie für die Kostüme der Tänzer: Eine Sorte Aluminium,
die normalerweise im Flugzeugbau Verwendung findet. "Das war eine wirklich
interessante Arbeit." Beim Festival steirischer herbst soll sie nächstes Jahr möglicherweise
mit einer Ausstellung, jedenfalls aber mit der Ausstattung eines
Musik-Tanz-Projektes von Beat Furrer und Reinhild Hoffmann vertreten sein.
"Darüber kann ich leider noch gar nichts verraten. Wir haben die Arbeit
daran noch nicht begonnen. Aber Musik hat immer einen enormen Einfluss auf
Architektur, im Rhythmus, in der Organisation des Raumes. Die
Auseinandersetzung mit diesen Dingen erweitert unser Denken und unser
Vokabular." Professorin Hadid Über ihre Arbeit mit Wiener Architekturstudenten möchte sie noch nicht
viel sagen: "Sie sind sehr enthusiastisch. Man kann ihnen ohnedies nicht
beibringen, wie sie denken sollen. Man kann ihnen nur vermitteln, dass sie
ihren Job Ernst nehmen sollen, und dass es wirklich erfreulich ist, mit
seiner Arbeit einen so großen Einfluss auf das Leben der Menschen nehmen
zu können. Lehren ist ein bisschen wie das Öffnen von Fenstern: Man muss
sehen, woher das Licht kommt." Links: | ||||