diepresse.com
zurück | drucken
22.11.2002 - Ausstellung
Schlingern zwischen schonungslosen Schlaufen
Die Secession zeigt Sue Williams. Eine Malerin, die sich dem Klischee der feministischen Kunst in ihren jüngsten Arbeiten fröhlich entzogen zu haben scheint.
VON ALMUTH SPIEGLER


Vorurteile sind auch in der Kunstwelt nicht leicht auszurotten. Gegen Künstler, Institutionen, Kritiker. So etwa hat die Secession in Wien mit ihrem Engagement für oft sperrige Kunst in den letzten Jahren das sinnlicher veranlagte - sagen wir einmal konservativere - Publikum von einem längeren Blick eher abgeschreckt.

Doch einmal pro Jahr gilt eine Ausstellung der Malerei. Sue Williams ist es heuer. Ihr Name steht für einen feministischen Zugang. Sie rümpfen die Nase? Kämpferischer Feminismus scheint nicht mehr zeitgemäß in einer abgebrühten Leistungsgesellschaft, "frau" will ihn sich eben nicht mehr leisten, und die Männer sind schon von ihren Müttern auf ein neues Frauenbild geschult. Kein leichter Stand für die weibliche Emanzipation.

Mitte der achtziger Jahre ruhte die Malerei noch fest in männlichen Künstlerhänden - wem fällt etwa unter den "Neuen Wilden" spontan ein Frauenname ein? Damals begann Sue Williams (1954 in Chicago geboren) in Amerika auszustellen. Keine Photographie, keine Videos und keine Performances - Medien, die Künstlerinnen damals als größtenteils unbesetzte Bereiche erobern und aufbauen konnten. Nein, Sue Williams begann mit Malerei. Ihre Themen: Sexualität, Mißbrauch, Gewalt.

Die Secession zeigt im Hauptraum unter dem zwiespältigen Titel "Art for the Institution and the home" die bisher größte Ausstellung der Malerin, konzentriert auf das Werk der letzten zehn Jahre.

In einem mit pinkfarbenem Teppich und pfirsichfarbenen Wänden, Couch und Kakteen skurril wohnlich gemachten Teil konzentriert man sich auf kleinere Collagen, Zeichnungen, Malerei der früheren Jahre - "Art for the Home". Noch sehr konkret sind hier Körper, Glieder, Kopulationen. Verzerrt, skizziert mit fahrigem Strich - verharmlost durch den Stil von Comics und Karikatur.

Im Hauptteil der Ausstellung - "Art for the Institution" - ist das Erlebnis dann eindrücklich: Im hellen Raum beginnen die großformatigen, meist quadratischen Leinwände zu leuchten - bunt, fröhlich, das Orange blitzt lockend auf. Aus angemessener Entfernung ein elegantes, abstraktes Linienspiel. Manchmal gibt der Titel die Richtung vor, damit die kräftigen, präzisen Striche ihre Geheimnisse preisgeben, wie etwa bei "Red gets in with the Shoes and Lingerie", 1998.

Nicht obszön will Sue Williams die pikanten Details nennen - "explizit" ist ihr Wort dafür. Im Gewurl nimmt man Geschlechtsteile, Intimzonen und Penetrationen aus - ein Schritt zurück und es wird wieder zum dynamischen Muster. Eine entlarvende Strategie.

Zwischen den kleinteiligen Bildern, die neuesten Arbeiten: Ebenso farbig, doch im Thema unentschiedener. Über die Leinwände schlingern breite Bahnen in pastelligen Tönen, schwingen sich zu Achtern, ziehen sich zu Kringeln zusammen wie putzige Würmer.

Eine fast klassische Künstler-Entwicklung glaubt man zu erkennen: Vom Konkreten in die Abstraktion. Doch auch in den lustigen Schlaufen sucht man das "Explizite", die Themen von Sue Williams, assoziiert Körperteile, Handlungen, Übergriffe. Vorurteile wird man eben so schnell nicht los.



© Die Presse | Wien