diepresse.com
zurück | drucken

05.12.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Galerie Krinzinger: West & East - Charim Galerie: Reading Capital

kunstraum

Der Brite Mark Wallinger (*1959) hat die Umdeutung religiöser Themen oft ins Zentrum seines Interesses gestellt. 1999 sorgte sein "Ecce Homo" für Aufsehen: Das Abbild eines der Menge vorgeführten Christus am Londoner Trafalgar Square, inmitten seiner Denkmäler von Kriegshelden, rührte empfindlich am britischen Nationalgefühl. Im Video "Threshold to the Kingdom", ist die Schwelle zum Königreich als alltägliche Ankunft am Flughafen inszeniert und, durch die Untermalung von Gregorio Allegris Miserere-Psalm, auch als Ankunft an der Himmelstür. Grenzsituationen bilden auch die Eckpfeiler seiner aktuellen Schau, konkret: Goethes Alterswerk "Der west-östliche Divan" (1814-1819). Er machte das Bedürfnis nach einem Gedankenaustausch der Völker bewusst. Durch Wallinger gewinnt dieses Werk an Aktualität. "Painting the Divide" zeigt Aufnahmen von Jerusalem, Berlin und Famagusta, auf Paravents appliziert. In der Doppelprojektion "What Time is the Station Leaving the Train" ist eine in gegenläufige Richtungen gefilmte Endlosfahrt um den Berliner S-Bahn-Ring zu sehen. Zwei im Wagon montierte Kameras nehmen West- wie Ostseite gleichzeitig auf. Und der Diwan? Der manifestiert sich in einer Liege von Mies van der Rohe. Goethe eingedenk lauschen wir der Konzertprobe eines Weimarer Orchesters. (bis 14. 1., Seilerstätte 16, Wien 1)

Charim Galerie: Reading Capital

Milica Tomic (*1969) gelingt in ihren Videoinstallationen eine prägnante Verknüpfung von Fragen nach Identität und Erinnerung, persönlicher und politischer Geschichte. Bekannt geworden ist die Belgraderin mit Arbeiten wie "XY-Ungelöst - Reconstruction of the Crime" (1997). Diese gemahnt an getötete Kosovo-Albaner, die 1989 für ihre politische Autonomie in der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien demonstrierten. Ein Jahr später in "Ich bin Milica Tomic" untergräbt Tomic den Anspruch nationaler Identität auf Einzigartigkeit. Den Dreh- und Angelpunkt ihrer Wiener Schau bildet Marx' "Kapital". Tomic führt namhafte Kapitalisten aus San Antonio in Texas vor, lässt sie Passagen daraus über Waren- und Geldzirkulation zitieren. Wenn Marx bereits Abhängigkeiten, Machtverhältnisse der Mitglieder einer kapitalistischen Gesellschaft aufzeigte, so denkt Tomic dies radikal in der Video- und Diaprojektion "Container" weiter, in der sie sich auf den Menschen als Ware nicht nur für Schlepperbanden in die USA bezieht. (bis 14. 1., Dorotheergasse 5, Wien 1) Manisha Jothady

© diepresse.com | Wien