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17.02.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Kunstraum

NÄCHST ST. STEPHAN: ZUFÄLLE

Bekannt wurde Jörg Sasse, Jahrgang 1962, in den Achtzigerjahren mit Detailaufnahmen kleinbürgerlicher Interieurs, denen oft der Touch einer leicht maroden Spießigkeit anhaftete. Seit Mitte der 90er ist nicht mehr der Fotoapparat sein primäres Handwerkzeug, sondern die Computermouse, konkret: ein Grafiktablett mit drucksensitivem Zeichenstift. Schnappschüsse von Familienurlauben, Landschaftsfotos oder wie auch immer geartetes und archiviertes Amateurfotografenmaterial werden seither dem digitalen Bearbeitungsprozess unterzogen. Dabei konzentriert sich Sasse stets auf einen Ausschnitt oder ein Detail der Vorlage, versetzt oder eliminiert einzelne Motive, betont oder schwächt Farbkomponenten und Lichtpartien, vergrößert das Format. Nähe schlägt in seinen Arbeiten oftmals unvermittelt in Ferne um, Bewegung und Statik treffen abrupt aufeinander. Der Gesamteindruck: malerisch. Irritierend: Sasse wählt oft Bildausschnitte, in denen der Fluchtpunkt bewusst abgeschnitten wird, was es mitunter verunmöglicht, einen klaren Betrachterstandpunkt festzumachen. Jörg Sasses Interesse gilt weniger den dargestellten Motiven als vielmehr den Möglichkeiten, eine völlig eigene Bildwirklichkeit zu generieren. Das tut sich auch in den Titeln der großformatigen C-Prints in kleinerer Auflage kund: Es sind vierstellige Zahlenkombinationen (11.350 bis 15.450 Euro), die durch Zufall generiert sind. Sasse scheint sich radikal von der Fotografie zu entfernen, um immer wieder bei ihr anzukommen. "Was mich interessiert, ist der Punkt, an dem man meint, etwas erkannt zu haben, das sich im nächsten Moment wieder entzieht", hat der Künstler einmal gesagt. Das ist eine Erfahrung, die dem Besuch der Wiener Ausstellung exakt entspricht. (bis 10. 3., Grünangergasse 1/2, Wien 1)

MEDIENTURM GRAZ: SAMPLING

Seit Beginn der 90er Jahre hat die bildende Kunst in Verbindung mit Musik ihren Aktionsradius erweitert. Auch mit anderen Teilbereichen unserer Alltagskultur wie dem Kino oder der Werbung hat sie sich vermählt. Die Schau "Now is the Time" zeigt Arbeiten von 15 KünstlerInnen einer vorwiegend jüngeren Generation, die sich allesamt im Spannungsfeld von Pop- und Massenkultur, Lifestyle und elektronischen Medien bewegen. Unterschiedliche Methoden des Sampelns, Remodelns und Recycelns treten dabei zutage: wenn etwa Alexander Györfi seine Videosound-Installation mit Tafelbildern verkabelt, die Mischpulte oder E-Gitarren zeigen; oder wenn Daniel Pflumm das Signet seiner Berliner Galerie "Neu" in verschiedene bekannte Werbespots einschleust. Die "Tonbildträger" eines Gerwald Rockenschaub dürfen in diesem Zusammenhang natürlich auch nicht fehlen. Ebenso hat Lisa Ruyters "fill-in-the-blanks" Neonfarben-Malerei als gelungenes Zitat Warhols "paint-by-numbers" hier Platz. Weitere durch die Bank gelungene Beiträge stammen von heimischen Positionen wie Thomas Baumann, Tina Frank, Lia, m.ash, N.I.C.J.O.B., Pfaffenbichler/Schreiber, reMI, Axel Stockburger und internationalen Kunstschaffenden. Erwerben kann man hier zum Preis von fünf Euro eine von Alexander Györfi produzierte Single. Auf ihr sind Neuinterpretationen von The Doors und David Bowie zu hören. (bis 5. 3., Josefigasse 1, 8020 Graz)

Manisha Jothady

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