Kollektives Gedächtnis und individuelle Erinnerung

Für Chefkuratorin Felicitas Heimann-Jelinek zählt die Erinnerungsarbeit zu den zentralen Aufgaben des Jüdischen Museums.


Wie erinnern wir? Wie werden wir erinnert? Was für eine Rolle spielen die Dinge für das Andenken der Vergangenheit? Und wie wird die Erinnerung wachgehalten? In der Ausstellung "Eine Nacht und ein Tag" begegnet uns ein unscheinbarer kleiner Gegenstand. Es handelt sich um einen Blechring mit Messinglegierung. Er ist weder auffällig inszeniert noch speziell hervorgehoben. Eingebettet in die Außenwand der Installation mit den Beschriftungstafeln zu den zerstörten kultischen Gegenstände, nimmt er eine Sonderrolle ein.

Ring mit dem Wappen von Theresienstadt. / ©Bild: David Peters
Ring mit dem Wappen von Theresienstadt. / ©Bild: David Peters

Dieser Ring stellt die zentrale Frage nach dem Verhältnis zwischen dem kollektiven Gedächtnis und der individuellen Erinnerung. Zwischen den Eckdaten offizieller Geschichtsschreibung und persönlicher Lebensgeschichte geht es ums Weitererzählen, ums Fortschreiben von Traditionen.

Das Andenken der Dinge

"Niemals aber kann man einem mitunter bescheidenen Gegenstand die Bedeutung, den Wert ansehen, den er für seinen einstigen Besitzer hatte. Tatsächlich erinnert der Ring an sehr schwere Zeiten, aber zugleich auch an viele positive Erfahrungen, an heitere Menschen, Freunde, Arbeitskameraden.", so Frau Spitzer im Begleitschreiben zu ihrem Geschenk an das Jüdische Museum.

Die aus Wien stammende Fritzi Spitzer hat diesen Ring mit dem Wappen von Theresienstadt gegen ein Stück Brot von einem Mithäftling im Konzentrationslager eingetauscht. Sie wurde gerettet, konnte in die Schweiz flüchten und hat diesen Ring im Jahr 1996 dem Jüdischen Museum geschenkt. Davor jedoch ließ sie sich eine Kopie von ihrem Ring machen, aus Gold. Und dann ging diese goldene Kopie verloren.

Express wurde das Original aus dem Museum in die Schweiz geschickt. Eine zweite Kopie wurde angefertigt. Bald darauf ist Frau Spitzer verstorben. Ihre individuelle Erinnerung hat sie dem Museum überantwortet, der kollektiven Erinnerung ihr Original vermacht, für sich selbst hatte sie eine Kopie behalten, die sie ständig trug, als Teil ihrer Identität.

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