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22 Leichen im Museumskeller

"Keinen angenehmen Termin" hatte Josef Riedmann, Vorstand des Tiroler Landesmuseums, gestern zu absolvieren, ging es doch um die Restitution jüdischen Kulturguts.

INNSBRUCK. Wie die Tiroler Tageszeitung bereits am 26. Juni berichtete, befinden sich im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum noch immer 22 Objekte, die zwischen 1938 und 1945 unrechtmäßig aus jüdischem Besitz in das Museum gelangt sind. Jahrzehntelang war man im Ferdinandeum der Ansicht, 1946/47 alles Raubgut restituiert zu haben. Aber "die damalige Museumsführung wollte vielleicht auch nicht alles wissen", so Riedmann, weshalb nur Objekte restituiert wurden, auf die explizit Anspruch erhoben wurde.

Unmittelbarer Anlass, im Museum nach Raubkunst zu suchen, war die Beschlagnahme von zwei Bildern von Klimt und Schiele in New York und den dadurch in Gang gesetzten Nachdenkprozess in österreichischen Museen bzw. ein Bundesgesetz bezüglich der Restitution von Raubkunst. An dieses hätte sich das Landesmuseum als Verein zwar nicht zu halten, für die Ferdinandeumsleitung ist es aber eine Verpflichtung, "jeden Schatten, der über seiner Vergangenheit liegt, zu entfernen", so Riedmann.

Schwierige Recherche

Sorgsamen Recherchen im hauseigenen Archiv, im Tiroler Landesarchiv und in den Archiven des Bundesdenkmalamtes haben nun 22 Leichen im Museumskeller zu Tage befördert. Diese Recherchen waren schwierig, "ging man doch während der NS-Zeit mit fremdem Eigentum sehr sorglos um" (Riedmann), weshalb es auch kaum exakte Unterlagen über diese zwischen 1938 und 1945 in das Museum gekommenen Objekte gibt.
Nicht einbezogen in die musealen Recherchen wurden allerdings die - wie man weiß - exakt geführten Akten der Gestapo. Die Nachforschungen des Ferdinandeums werden in den nächsten Veröffentlichungen des Landesmuseums publiziert. "Es wäre schön, wenn wir sagen könnten, es ist nun alles bereinigt", so Riedmann, "aber das können wir nicht". Doch "wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um jedes Unrecht wieder gut zu machen".

Liste im Internet

Die Liste der 22 nun eruierten Objekte wird ab sofort im Internet veröffentlicht, in der Hoffnung, dass sich die rechtmäßigen Erben melden. Wenn nicht, fließt nach einer noch nicht exakt fixierten Zeit der Erlös der Objekte in einen Fonds zugunsten der Wiedergutmachung von Unrecht ein, das während der NS-Zeit den Juden angetan wurde.

Um Objekte im Gesamtwert von schätzungsweise 1,5 Mio. Euro handelt es sich bei den 22 noch im Ferdinandeum befindlichen Objekten, darunter ein 1521 gemaltes Bildnis der "Anna von Ungarn" von Hans Maler, das 1939 in einer Wiener Galerie gegen ein Gemälde von Pieter Saenredam eingetauscht worden ist, allerdings aus der Sammlung des von den Nazis enteigneten Charles Neumann stammt.

Andere Objekte stammen aus den Sammlungen Oskar Bondy, Carl Friedländer, Leo Fürst, Albert und Ernst Pollak, Hans Redlich, Franz Reitlinger, Alphonse und Louis Rothschild, Martin Steiner und Alfons Thorsch. Zurückgegeben werden sollen aber auch jene Objekte bzw. Geldbeträge, die als mehr oder weniger freiwillige Spenden noch in den fünfziger Jahren an das Museum kamen. "Hier geht es um eine deutliche Junktimierung mit der Ausfuhrgenehmigung für restituierte Kulturgüter, die das Denkmalamt zu bewilligen hatte", so Riedmann.

Nicht nur im Museum

Doch nicht nur das Tiroler Landesmuseum bediente sich zwischen 1938 und 1945 an enteignetem jüdischem Kulturgut. Riedmann vermutet, dass sich auch im Landestheater, im Landhaus, im Volkskunstmuseum, im Landesarchiv und im Polizeicasino noch Raubkunst befinden könnte.

Laut Herlinde Menardi hat das Tiroler Volkskunstmuseum sämtliche Eingangsbücher der fraglichen Zeit durchforstet. Gefunden wurden zwei Objekte aus der Sammlung Bondy, die als Geschenke von Elisabeth Bondy in den Aufzeichnungen genannt werden. Generell seien die schriftlichen Unterlagen aus der fraglichen Zeit allerdings mehr als dürftig, so Menardi.
2002-07-11 18:14:37