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Der indische Gott Kitsch
(cai) Jö, wie beim König Midas. Der hat ja eine schrumplige Rosine nur
angegriffen und sie war ein Nugget. Allerdings hat er der Traubenmumie
nicht sechs Monate lang die Hand auflegen müssen (täglich
acht Stunden), um diesen Effekt zu erzielen. Der Skall hingegen, der
Ramsch in Kunst verwandelt, braucht eine Engelsgeduld, immer wenn er
aus dem Ordinären etwas Besonderes macht. Weil er das Glumpert nicht
einfach berührt (mit dem Stift, es also signiert) und zu Kunst erklärt
(so wie Prinzessinnen aus Fröschen Prinzen machen, indem sie sie kurz
abbusseln). Nein, er pickt hingebungsvoll Pailletten auf Totenköpfe
oder fädelt unvorstellbar viele Glasperlen auf. Vermutlich bis zur
Sehnenscheidenentzündung.
Und weil Zeit Geld ist, ist jedes dieser üppig aufgeputzten,
kuriosen Objekte, gemessen an den Arbeitsstunden, die da drinstecken,
quasi ein Mercedes der A-Klasse. Na ja, ein gebrauchter
Mercedes. Und wenn Skall chinesische Vasen stapelt und liebevoll
garniert mit Ranken aus Stacheldraht, mit Rasierklingen, an denen
Glöckchen hängen, und mit duftigen Taufkleidchen, ist das ... okay,
vielleicht nicht ganz so bewegend wie Picassos "Guernica".
Könnten das lauter Andachtsbilder für den Kitsch sein? (Kitsch – äh,
die indische Gottheit des vulgären Geschmacks?) Oder sind das
tragikomische Witze voller barocker Sinnenfreude und Vanitas, und die
Pointe ist die eine echte Perle (noch dazu eine sauteure), die in dem ganzen Klimbim versteckt ist? Überwältigend schwülstig.
Mario Mauroner Contemporary Art
Weihburggasse 26
Skall: "A light beyond darkness", bis 30. April
Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr, Sa.: 11 – 16 Uhr
Das Es rasiert sich nicht
(cai) Er lebt in den Bergen, ist stark behaart und trotzdem hat
Reinhold Messner nie behauptet, ihm begegnet zu sein: Bigfoot. Daniel
Ferstl hat ihn jetzt gefunden. Freilich nicht in den Rocky Mountains
(deren höchster Gipfel übrigens nicht Rocky Balboa heißt), sondern im
Fernsehen. In der Serie "Alf". Eigentlich hätte das ja Erich von
Däniken herausfinden müssen: Bigfoot ist ein Alien. Ferstl hat gleich
eine Büste von ihm angefertigt. Vom Alf. Oder ist doch der
Chewbacca, diese grunzende Kreuzung aus Gorilla und Flokati, der
Bigfoot? Tja, der Mensch ist offenbar besessen von Körperbehaarung,
sonst hätte er nicht so deftige unrasierte Fantasien. (Hm. Erscheinen
uns die krampfhaft mithilfe von Gillette verdrängten Haare nun als Yeti
und Bigfoot? Als leibhaftiges Es?) Ferstls wildes Sammelsurium
(primitive Skulpturen, süffige Malereien, sogar eine Naturstudie von
einem Bigfoot-Häufchen) kann man eher in seiner Gesamtheit
genießen. Ganz allein an einer Wand überleben würde aber die picksüße,
"romantironische" Disney-Idylle, durch die der Bigfoot stapft, während
Bambi nicht ihn anstaunt, sondern eine unspektakuläre Blume. (Ein Affront!)
Galerie Ulrike Hrobsky
Grünangergasse 6
Daniel Ferstl: "Searching For Bigfoot", bis 14. April
Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr
Lieber denken als essen
(cai) Feministinnen wären theoretisch verpflichtet, sich von diesen
lebensgroßen Holzdamen voller Abscheu abzuwenden. Weil die ja
bestenfalls Kleidergröße 34 haben. Andererseits verschont der Walter
Moroder uns mit gebär- und säugungsfreudigen Anatomien. Grazile,
mädchenhafte Leiber (die Dellen sind natürlich keine Zellulitis, das
sind sinnliche Liebkosungen mit dem Schnitzwerkzeug), das könnten
durchaus keusche Intellektuelle sein. Trotz ihrer archaischen Strenge
sind sie unglaublich lebendig. Und sie haben eine Präsenz, die schon
unheimlich ist.
Galerie Chobot
Domgasse 6
Walter Moroder: Holzskulpturen, bis 17. April
Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 16 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 31. März 2010
Online seit: Dienstag, 30. März 2010 19:02:00
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