DiePresse.com

DiePresse.com | Kultur | Kunst | Artikel DruckenArtikel drucken


Am "Checkpoint Chartie" kippt die Wirklichkeit

23.01.2010 | 18:33 | von Eva Male (Die Presse)

Die in Wien lebende Malerin Anna Meyer zeigt in der Berliner Galerie Antje Wachs neue Bilder, die das "kitschige" Klischee von Berlin brechen wollen.

Berlin, Alexanderplatz mit Weltzeituhr. Hochhäuser auf dem Potsdamer Platz. Checkpoint Charlie. Karl Marx Buchhandlung. „Die ganze Ausstellung handelt von Berlin“, sagt die Malerin Anna Meyer, „aber die Bilder sind leicht überdreht, degeneriert.“ So wird aus der Uhr die „Time Machine“ bzw. der „Weltensauger“, aus dem Checkpoint Charlie der „Checkpoint Chartie“ – „You are entering the art charts sector“. In Berlin, sagt Meyer, die 1964 in der Schweiz geboren wurde und heute in Wien lebt und arbeitet, „nisten die Kindeskinder von Marx und Coca-Cola.“ Sie wollte mit dem klischeebehafteten, geschichtsträchtigen Berlin spielen, „das fast schon kitschig ist und zugleich die Narbe des Krieges trägt“.

Die Verheißungen der Großstadt, Glückssuche, schriller Konsum, „Facebook Monument“ und „Asoziale Netzwerke“ – durch ironisierende Anspielungen lässt die Malerin die Wirklichkeit kippen. Kleine Verrückungen lassen den Menschen der Stadt Flammen aus den Köpfen schlagen und Schwänze wachsen. Dazu Satzfragmente aus Büchern von Uwe Timm und Jörg Fauser. Die Bausteine der Metropole werden in unsere Zeit gedreht, die verschiedenen Geschichtsebenen und Metamorphosen, zuletzt anlässlich des Jubiläums 20Jahre Mauerfall in Bildern erstarrt, aufgebrochen und mit kritischem Blick durchleuchtet.

Anna Meyer ist öfter in Berlin, hat im Vorjahr immer wieder einige Tage hier verbracht, um sich auf die Ausstellung vorzubereiten. Es ist ihre erste Schau in der Galerie Antje Wachs, nachdem sie schon seit Jahren mit der Galerie Krobath in Wien/Berlin zusammenarbeitet. Je nach Größe kosten die jetzt gezeigten Bilder zwischen 2000 und 10.000 Euro, einige Arbeiten wurden bereits verkauft, andere sind reserviert. Meyer war schon in mehreren Einzelausstellungen in Deutschland zu sehen. Hier ist im Besonderen ihre Personale aus dem Jahr 2006 „Schlechte Malerinnen sind bessere Künstlerinnen“ in der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig hervorzuheben.

Berlin lässt die Künstlerin „zwischen Faszination und Overdose schwanken, die Stadt ist seit einigen Jahren überhitzt in der Kunst. Es wird suggeriert, dass hier das ganze Geschehen stattfindet. Der Kunstmarkt orientiert sich an Berlin, obwohl's gar nicht so über den Verkauf läuft“. Gerade in Kreuzberg rund um die Kochstraße, wo die Ausstellung „Weltensauger“ bis zum 27. Februar läuft, drängt sich eine Galerie neben die andere.


© DiePresse.com