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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
06. Februar 2009
18:22 MEZ

Link:
www.bawagcontemporary.at

Hinweis:
Die Ausstellung wird begleitet von zwei Konzerten: 11.2., 20.30, "Instruments of Oblivion" (GB), 25.2., 20.30, Konzert mit "Beauties of the Night"

 

Teil von Winterlings Kaleidoskop: ein Filmstill aus Ken Loachs Coming-of-Age-Film "Kes".


Zerplatzende Seifenblasen
In ästhetischen, strengen Schwarz-Weiß-Bildern führt uns die Künstlerin Susanne Winterling ihre Relektüre starker, aber brüchiger Figuren vor

Dritte Auflage von "Young & Reckless".

***

Wien - "Freiheit, dein Name ist, glaube ich, Berlin", steht in Versalien über dem Foto einer in sich versunken wirkenden, jungen Frau, der Schweizer Schriftstellerin, Journalistin und Fotografin Annemarie Schwarzenbach (1908 -1942). Die Industriellentochter haderte mit ihrem politisch schwer rechts stehenden Elternhaus, zählten doch vorwiegend jüdische und politische Emigranten zu ihren Freunden, darunter Klaus und Erika Mann. Mit Erika verband sie auch eine - unglückliche - Liebe.

Es sind starke historische Figuren wie Schwarzenbach, die irische Designerin Eileen Gray (1878 -1976) oder etwa Isadora Duncan (1877-1927), die Wegbereiterin des modernen Ausdruckstanzes, auf die sich Susanne Winterling fokussiert. Sie interessiere sich jedoch nur für Geschichten, die zeitgenössische Bezüge haben, präzisiert die deutsche Künstlerin. Das Berlin-Zitat etwa stamme auch der Zeit der Weimarer Republik, wo sich die Spreemetropole als Inbegriff des freien Künstlertreffs sah. Ein Status, der aber auch angezweifelt wurde - so wie heute, setzt Winterling nach. In Berlin wurde auch Bawag-Contemporary-Direktorin Christine Kintisch auf Winterling, die vor ihrem Kunststudium auch Kunstgeschichte studiert hat, aufmerksam: Für die Berlin-Biennale hatte sie Eileen Gray in den Garderobekästen im Mies-van-der-Rohe-Bau (Neue Nationalgalerie) in ein Bilderkaleidoskop moderner Architektur eingewoben. Die Kamera filmt dabei, passend zu Winterlings Prinzip der Überlagerung, durch die mit Kondenswasser benetzten Scheiben der Nationalgalerie. Dort, wo eigentlich Transparenz herschen sollte, bildet sich eine gebrochene Oberfläche, in der sich die Lichter der "realen Welt draußen" - denkt man hierbei eventuell an Platon - verzerrt spiegeln.

Löwe getilgt

Die Fotos von Annemarie Schwarzenbach sind in der Wiener Ausstellung Teil einer Reihe von Schwarz-Weiß-Aufnahmen, Reproduktionen historischer Lichtbilder oder Filme, die Winterling bearbeitet hat, um eine ästhetische Einheit herzustellen. Dieses Glätten der Oberfläche tritt in ein Spannungsverhältnis zu den Brüchen der Motive und Protagonisten: Die schlafende Effi Briest, jene an den gesellschaftlichen Konventionen zerbrechende Kindfrau, in einer Einstellung aus der Fassbinder-Verfilmung, Billy mit seinem Falken, ein Filmstill aus Ken Loachs Coming-of-Age-Film Kes oder das MGM-Logo ohne brüllenden Löwen: "Brachiale Gesten interessieren mich nicht", kommentiert Winterling.

Das von ihr sonst häufig benutzte Mittel der Überblendung taucht nur in einer einzigen Aufnahme der Fotoserie auf: Eine Frauenfigur, die überzogen mit einer durchscheinenden Schicht aus Blumen der wohl berühmtesten Wasserleiche der Kunstgeschichte gleicht: "Ophelia".

Der Titel der Schau I'll Be Your Mirror, but I'll Dissolve (bereits 2007 in der Daniel Reich Gallery in N.Y. zu sehen) bezieht sich allerdings auf eine von drei präsentierten filmischen Arbeiten: Schlingernde Seifenblasen, die als bunte Lichtflecken die Wand hinauf wandern, aber jegliche Vorstellung von Raum und Körper negieren, konfrontieren in der 16-mm-Filminstallation neuerlich die Realität mit einer reflexiven Traumwelt, mit dem illusionistischen Charakter von Kino und Theater. Unschärfe wird zum positiven Moment der Verunsicherung, der Hinterfragung. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 07./08.02.2008)

 

Bis 1. 3.

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