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Karl Prantl: Die Zeit außer Kraft gesetzt

04.11.2008 | 18:27 | PETER BAUM (Die Presse)

Karl Prantl, der im Burgenland ansässige Bildhauer, feiert am Mittwoch seinen 85. Geburtstag.

Obwohl Praktiker par excellence, verkörpert Karl Prantl mit den von ihm gestalteten Steinen ein geistiges Prinzip, das die Zeit außer Kraft setzt. In unserem Verständnis der Welt und ihrem Kreislauf von Werden und Vergehen schaffen die mit Mühe, Ausdauer und Zuneigung bearbeiteten Plastiken eine auf Bestand abzielende Gegenwelt zu allem Flüchtigen, Beiläufigen. Schon in ihren Grundzügen – der schonenden, behutsamen Bearbeitung des Steins, der nicht bloßes Material ist, sondern in seinen Wesenszügen ausgehorcht, freigelegt, in Form gebracht wird und auf diese Weise genuin fortlebt – zeigt sich deutlich die Abkehr von artistischer Willkür und jeder modischen, nur dem Zeitgeist huldigenden Attitüde.

Der einem leisen, steten Prediger nicht unähnliche Künstler mit seinen Vorlieben für das, was die meisten von uns als einfaches Leben ansehen, hat viel Missionarisches an sich. Sein Beispiel bedingungsloser Hingabe an die Kunst, das sich schon früh als Überzeugung, Haltung und über die von Prantl initiierten Bildhauersymposien in Europa und Übersee auch als Botschaft an die Welt manifestierte, markiert über Hindernisse und Begünstigungen eines langen Lebens hinweg so etwas wie ein Grundprinzip der viel zitierten und oft herbeigewünschten Symbiose von Kunst und Leben.

 

Studium bei Albert Paris Gütersloh

Dass dafür neben Begabung, lebenslangem Exerzitium und einem tieferen Verständnis des Handwerklichen Ausdauer und Prinzipientreue notwendig waren, versteht sich von selbst. Weniger leicht erkennbar sind in dem Zusammenhang kritische, persönliche Erfahrungen, was die künstlerische Tragfähigkeit des Oeuvres anlangt, sowie Erkenntnisse im Hinblick auf das Wechselspiel von Konstanz und Veränderung. Die stete Überprüfung all dessen innerhalb einer künstlerischen Praxis, die jeden abrupten Wechsel ausschließt, und dennoch Vielfalt kennt, gehört zu Prantl wie das Amen zum Gebet.

Nach Volks- und Mittelschule noch Soldat im Zweiten Weltkrieg, studiert der 1923 in Pöttsching im Burgenland Geborene zunächst Malerei bei Albert Paris Gütersloh an der Akademie der bildenden Künste (1946-1952). Bereits in den Jahren zuvor beginnt er mit bildhauerischen Arbeiten in Holz und Stein. Von 1953 bis 1955 steht Prantl in der Orangerie des Schloss Esterhazy in Eisenstadt ein selbstgebautes Atelier zur Verfügung. Als dessen Nutzungsrecht mit Abschluss des Staatsvertrages 1955 endet, übersiedelt der Künstler nach Wien.

Gleichfalls 1955 hat Karl Prantl auch seine erste Einzelausstellung. Nicht in Wien oder Eisenstadt, sondern in der im Nachkriegsösterreich führenden Neuen Galerie in Linz, die bereits 1951 mit der ersten großen Kokoschka-Ausstellung in Österreich nach dem 2.Weltkrieg aufwartet.

Als Prantl 1958 von der Burgenländischen Landesregierung den Auftrag für einen „Grenzstein“ erhält, lernt er nicht nur den Steinbruch von St. Margarethen kennen, sondern auch das kontinuierliche Arbeiten inmitten der Natur, frei von Enge und Abgeschlossenheit des Ateliers.

 

Symposion Europäischer Bildhauer

Prantl versteht diese Erfahrungen, die er gerne weitergeben möchte, als Verpflichtung gegenüber seinen Kollegen und gründet im Jahr darauf zusammen mit Friedrich Czagan und dem Bildhauer Heinrich Deutsch das 1. Symposion Europäischer Bildhauer. Elf Künstler aus acht Ländern nehmen daran teil.

Prantls Idee zu derartigen Arbeitstreffen diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs und in entfernteren Teilen der Welt setzt sich durch und führt zu ähnlichen Veranstaltungen in Nürnberg, Berlin (1961), im oberösterreichischen Gusen-Langenstein bei Mauthausen, in Lindabrunn (NÖ), im Kärntner Krastal, in Israel, Vermont, USA, und Osaka, Japan.

Nicht zuletzt sind es diese in Bildhauerkreisen viel beachteten Symposien, die Prantl international bekannt und als hilfreichen Kollegen beliebt machen. 1957 heiratet er die Malerin Uta Peyrer. 1960/61 arbeitet er überwiegend in Berlin.

Seine bis heute anhaltende internationale Ausstellungskarriere setzt ab Mitte der 1960er Jahre massiv ein. Im Anschluss an die Galerie im Griechenbeisl, die neben der von Otto Mauer geleiteten Galerie St. Stephan für viele wichtige Vertreter der österreichischen Avantgarde zum Sprungbrett wird, stellt der Bildhauer bereits 1967 in der New Yorker Staempfli Gallery und knapp danach in München, Mailand, Salzburg, Innsbruck und Mannheim aus. Zusammen mit dem Maler Antonio Calderara wird Prantl 1971 vom Aargauer Kunsthaus eingeladen – eine Ausstellungssymbiose Gleichgestimmter, wie sie der Österreicher später in ähnlicher Art und Weise wiederholt mit seiner Frau, aber auch mit Reimer Jochims (1971), Gotthard Graubner (1972 bei Krinzinger, Innsbruck), Arnulf Rainer (1974), Paul Jenkins (1978 in Chicago), Rudolf Goessl (1986 bei Hummel in Wien), Markus Prachensky oder Vaclav Bostik (1995) eingehen sollte.

Geräumige Ateliers und Arbeitsflächen im Wiener Prater und in Pöttsching begünstigen die Entwicklung eines großen, in sich gefestigten unikaten Oeuvres, das noch am ehesten in der Philosophie und künstlerischen Praxis der Ostasiaten eine Stütze hat. 1986 nominierte Hans Hollein Prantl als offiziellen Vertreter Österreichs für die Biennale in Venedig – eine längst fällig gewesene, antizyklische Entscheidung von nachhaltiger Wirkung.

 

Stiller Dialog mit dem Betrachter

Ausgehend von sehr sorgfältig ausgewählten Steinen, die der heute 85-Jährige aus allen Teilen der Welt bezieht, richten sich Prantls bildhauerische Eingriffe und Freilegungen auf komprimierte, geschlossene Formen, auf den stillen, anhaltenden Dialog mit dem Betrachter. Der Künstler verlangt von ihm Zeit, die Bereitschaft zur Meditation und – bei bestimmten Arbeiten – auch zum haptischen Kontakt.

Dieser Bereitschaft lässt sich bis 18. November auch in einer von der Galerie Ulysses, Opernring 21, gezeigten Ausstellung nachgehen. In 18 Werkbeispielen von 1984 bis heute erschließt sie nicht nur Karl Prantls intimes Verhältnis zum verwendeten Material, sondern auch sein klug eingeschränktes Formenrepertoire, das er einfühlsam von den Eigenheiten und vielfältigen Maserungen seiner Steine aus Granit und Marmor ableitet.

 

Freilichtausstellung in Pöttsching

Der Mitte der 1980er-Jahre begonnene Aufbau einer beeindruckenden Freilichtausstellung seiner Skulpturen in der Umgebung des Pöttschinger Atelierhauses entspricht dem vom Künstler geforderten Einklang von Natur und Kunst am allerbesten. Der unverwechselbare Einzelgänger unter den ersten Bildhauern Europas formuliert damit das visuelle Manifest einer verantwortlichen, kontemplativen, auf den Mitmenschen gerichteten Einstellung.

Wenn Karl Prantl am 26. November dieses Jahres den von ihm früher wiederholt abgelehnten Großen Österreichischen Staatspreis erhalten wird, will er mit dessen Annahme auch ein Zeichen der Solidarität mit seinen Künstlerkollegen in aller Welt setzen.

 

Der Autor leitete ab 1974 die Neue Galerie der Stadt Linz, aus der 2003 das Lentos Museum hervorging. Seit 2004 ist der 1939 in Wien geborene Kunstexperte in Pension.


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