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BA-CA-Kunstforum: Das Tolle neben den Trampelpfaden

27.02.2008 | 18:09 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Wenn Max Weiler auf Claude Monet trifft, bleibt kein Auge trocken. Die Ausstellung „Monet Kandinsky Rothko und die Folgen“ ist eine lustvolle, sinnliche Reise durch die abstrakte Malerei bis heute.

Sich in so einer übermannshohen glimmenden Farbvision Mark Rothkos zu verlieren ist schon ein rares Erlebnis hier in Wien. Da gibt man sich strahlend schon mit einer einzigen seiner mächtigen Kompositionen zufrieden, noch dazu der 1960 entstandenen „No. 22 (Rot über Zwetschgenblau und Schwarz)“ aus der Schweizer Daros Collection, die seit 1972 nicht mehr zu sehen war. Schelmin also, die sich trotzdem nach dem ultimativen Kniefall sehnt, nach den voll ausgestatteten Rothko-Kapellen, wie jene, die der Meister selbst in Houston baute, oder wie sie in großen Retrospektiven des 1970 in New York verstorbenen Künstlers etwa in der Fondation Beyeler oder zur Zeit der Hypokunsthalle München arrangiert werden.

Zur angemessenen Verehrung seiner ausgewiesenen Geheimnisträger verkündete der wortkarge Vater der amerikanischen Farbfeldmalerei praktischerweise auch genaue liturgische Anweisungen: In düsteren Räumen soll man sich ihnen nähern, bis auf 45 Zentimeter Entfernung. Nicht näher, nicht weiter. Amen.


Abstrakte Farbstreifen? Ein Vogelkäfig!

Großformatige abstrakte Kunst kann ein Frontalangriff auf den menschlichen Gefühlshaushalt sein. Nie fühlt man sich einsamer mit sich selbst als vor einer Fläche stehend, die nichts widerspiegelt, was man bereits kennt, was man täglich sieht oder nächtens träumt. Einer Fläche, die stattdessen verlangt, uns in den assoziativen Freifall zu werfen. Nicht umsonst wurde abstrakte Malerei oft mit Religion verglichen. Hier wie da gibt und gab es strenge Dogmen, die zumindest die Minimal-Malerei spätestens in den 70er-Jahren totlaufen ließen. Und hier wie da wird gerne an einen Gott bzw. ein Genie geglaubt, das aus dem Nichts ein Etwas schafft.

Es ist ein winziges böses Vögelchen, das einem, fast am Ende der heute beginnenden großen Abstraktionsausstellung im BA-CA-Kunstforum, dann die Erlösung schenkt – und einem inmitten all dieser intellektuellen, emotionalen, jedenfalls großen Gesten doch noch ein verschmitztes Lächeln abringt. Beißender Sarkasmus? Dieses Sakrileg kann sich angesichts der anerkannten amerikanischen Meisterschaft auf dem Gebiet der heiligen Abstraktion ebenfalls nur ein Amerikaner erlauben: Ross Bleckner spielt mit der Optik und lässt farbige Streifen flugs zu einem Käfig werden, in dem ein gefiederter Gefangener gerade auf die Stange flattert.

Die so populäre Op-Art wie auch die wenig bekannte psychedelische Malerei der 60er- und 70er-Jahre, die in der Neuen Galerie Graz gerade wieder zu entdecken war, bleiben im Kunstforum ausgespart. Sie würden wohl auch schnell den traditionellen (Keil-)Rahmen sprengen, über den Kurator Florian Steininger so streng wachte – keine Fotografie, keine Objekte, keine Installationen. Dafür werden ausführlich die „Wege der Abstraktion“ vorgestellt, die in der Malerei bis heute aufgespürt wurden und werden – das Heroische, Lyrische, Sublime, Materielle, Minimalistische, Monochrome –, alle abstrakten Sekten sozusagen werden hier durchdekliniert. Angefangen mit der schon reifen Avantgarde der Abstraktion, Kandinsky, Mondrian, Malewitsch, aufhörend nicht mit den jüngsten der Jungen, sondern mit einer bereits arrivierten, mittleren Generation.


In Österreich herrscht Malerpartie

Manchmal glaubt man sich zwar eher auf Trampelpfaden und Lost Highways, aber auch an deren schattigen Rändern vermag schließlich Tolles zu lauern. Die locker zwischen die internationalen Stars gemischten österreichischen Abstrakten etwa können sich durch die Bank behaupten. Erste Beruhigung gleich zu Beginn: die unaufgeregte Begegnung der Wiener Kinetistin Erika Giovanna Klien mit Alexandra Exter und Ljubow Popowa. Auffällig ist hier in weiterer Folge allerdings: Vor allem bei den amerikanischen Vertretern war anscheinend ohne Probleme eine zwar nicht ausgewogene, aber passable Durchmischung der Geschlechter zu erreichen. Während bei den Österreichern, mit Ausnahme von Klien und Maria Lassnig, die Männerpartie regiert. Aber das hier, zur Abwechslung, einmal nur nebenbei bemerkt.

Bleiben wir beim Bestaunen von Steiningers gewagten Gegenüberstellungen: Am spektakulärsten funktionieren sie in den beiden mittleren Räumen – die Kombination aus Claude Monet, Max Weiler, Joan Mitchell und Cy Twombly ist schlicht atemberaubend. Die späten Seerosenbilder des Impressionisten gelten als eine der Keimzellen der Abstraktion, auch in den USA, wo eines der Gemälde 1954 vom Museum of Modern Art angekauft wurde.


Monets Flachheit, Weilers Kultivierung

Die Flachheit der Darstellung und die Verselbstständigung der Farben faszinierten die amerikanische Künstlerszene – die Malerin Joan Mitchell etwa mietete sich sogar in Monets Atelier in Vétheuil ein. Ihr unbetiteltes Gemälde von 1957 stellt ein spannungsreich zwischen Aggression und Poesie oszillierendes Geflecht heftigster Striche in floralen Farben dar, die an Monets Gartenbilder erinnern. Dazwischen zeigt Weilers vorwiegend weiße „Große Wiese“ von 1982 einen ganz anderen, fast schon exaltiert kultivierten Zugang zur Naturabstraktion.

Nebenan fließen gelassen die Farben von Morris Louis und Erwin Bohatsch um die Wette, liefern sich Hans Bischoffshausen, Gerhard Richter, Jakob Gasteiger und Wladislaw Strzeminski Materialschlachten und feiern Kandinsky, Wols, Arnulf Rainer und Günter Brus ihre Befreiungen. An die zeitliche Abfolge darf man sich hier allerdings nirgends klammern, sonst müsste man, vor allem bei einigen österreichischen Beispielen, hin und wieder ein bisschen weinen.

Eine der wenigen Ausnahmen stellt dabei das bisher vergeblich auf Würdigung wartende Werk des 1987 verstorbenen Hans Bischoffshausen dar, der in Kontakt mit Lucio Fontana und der Zero-Gruppe stand und „auch zeitlich ganz vorne mit dabei war“, so Steininger. Bewusst wollte er aber keine „pädagogische“ Schau zur Entwicklung der Abstraktion machen – die gehört an andere Orte als das private Kunstforum. In derart prominenter Besetzung, gespickt mit derart vielen Hauptwerken der hierorts sonst so selten gezeigten amerikanischen Abstrakten muss das ein österreichisches Museum aber erst einmal vorlegen. Bitteschön...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2008)


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