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05.06.2003 - Kultur News
Ein Direktor kehrt heim
Die Österreichische Galerie Belvedere feierte am Mittwoch ihr hundertjähriges Bestehen. Zum Geburtstag gab es ein Schiele-Bild.


Es ist eine todtraurige Geschichte, die niemand vorhersehen konnte, als Franz Martin Haberditzl 1915 die Leitung der K. K. Österreichischen Staatsgalerie übernahm, der Nachfolgerin der 1903 gegründeten Modernen Galerie. Unter Haberditzl brachen goldene Zeiten an: In seiner Amtszeit kaufte der Künstlerfreund über 500 Werke, gründete 1923 das Barockmuseum im Unteren Belvedere, bezog 1924 das Obere als Galerie des 19. Jahrhunderts und 1929 die Orangerie als Moderne Galerie. Er gilt als der eigentliche Gründungsdirektor des Museums in seiner heutigen Gestalt.

Doch dann wurde es dunkel in Österreich. 1938 setzten die Nationalsozialisten Haberditzl ab. Die Gründe? Er sammelte "entartete" Kunst, war mit einer Halbjüdin verheiratet - und saß seit 1920 im Rollstuhl. Als Nachfolger war Bruno Grimschitz zur Stelle. Gerade dieser zuvor von Haberditzl hoch geschätzte Mitarbeiter erteilte seinem Mentor Hausverbot! Ein emotionales und wissenschaftliches Fiasko für den Kunsthistoriker - bis zu seinem Tod 1944 verließ Haberditzl seine Wohnung nicht mehr.

Anlässlich des hundertjährigen Bestehens erwarb die Österreichische Galerie Belvedere das Porträt Haberditzls, das Egon Schiele 1917 von seinem "Seelenfreund" malte. Die Tochter des Verstorbenen verkaufte es um sechs Millionen Euro. Den Großteil, vier Millionen, steuerte das Bildungsministerium bei, eine Million kam von der Oesterreichischen Nationalbank, eine weitere vom Museum selbst. Am Mittwoch wurde die Neuerwerbung während eines Festaktes im Oberen Belvedere präsentiert. Rund um das Porträt zeigt die Österreichische Galerie in zwei Räumen eine Ausstellung zu Ehren Haberditzls, mit einer Auswahl der von ihm angekauften Gemälde von C. D. Friedrich, Corot, Boeckl bis Schiele. Von letzterem hatte Haberditzl 1918 das Porträt von Edith Schiele erworben. In den folgenden Jahren kamen drei weitere Hauptwerke des Malers hinzu. Haberditzl war damals der einzige Museumsdirektor, der Schiele sammelte.

In der derzeitigen Ausstellung hängen gleich neben diesen Bildern die dazugehörigen Studien. Als Leihgaben. Denn heute gehören sie zum Bestand der Albertina. Eine Trennung, die einst Haberditzl und auch den heutigen Hausherrn, Gerbert Frodl, schmerzt, der keinen Streit vom Zaun brechen will, aber: "Man muss sich zusammensetzen und überlegen". sp



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