Es ist eine todtraurige Geschichte, die niemand
vorhersehen konnte, als Franz Martin Haberditzl 1915 die Leitung der K. K.
Österreichischen Staatsgalerie übernahm, der Nachfolgerin der 1903
gegründeten Modernen Galerie. Unter Haberditzl brachen goldene Zeiten an:
In seiner Amtszeit kaufte der Künstlerfreund über 500 Werke, gründete 1923
das Barockmuseum im Unteren Belvedere, bezog 1924 das Obere als Galerie
des 19. Jahrhunderts und 1929 die Orangerie als Moderne Galerie. Er
gilt als der eigentliche Gründungsdirektor des Museums in seiner heutigen
Gestalt.
Doch dann wurde es dunkel in Österreich. 1938 setzten die
Nationalsozialisten Haberditzl ab. Die Gründe? Er sammelte "entartete"
Kunst, war mit einer Halbjüdin verheiratet - und saß seit 1920 im
Rollstuhl. Als Nachfolger war Bruno Grimschitz zur Stelle. Gerade dieser
zuvor von Haberditzl hoch geschätzte Mitarbeiter erteilte seinem Mentor
Hausverbot! Ein emotionales und wissenschaftliches Fiasko für den
Kunsthistoriker - bis zu seinem Tod 1944 verließ Haberditzl seine Wohnung
nicht mehr.
Anlässlich des hundertjährigen Bestehens erwarb die
Österreichische Galerie Belvedere das Porträt Haberditzls, das Egon
Schiele 1917 von seinem "Seelenfreund" malte. Die Tochter des Verstorbenen
verkaufte es um sechs Millionen Euro. Den Großteil, vier Millionen,
steuerte das Bildungsministerium bei, eine Million kam von der
Oesterreichischen Nationalbank, eine weitere vom Museum selbst. Am
Mittwoch wurde die Neuerwerbung während eines Festaktes im Oberen
Belvedere präsentiert. Rund um das Porträt zeigt die Österreichische
Galerie in zwei Räumen eine Ausstellung zu Ehren Haberditzls, mit einer
Auswahl der von ihm angekauften Gemälde von C. D. Friedrich, Corot, Boeckl
bis Schiele. Von letzterem hatte Haberditzl 1918 das Porträt von Edith
Schiele erworben. In den folgenden Jahren kamen drei weitere Hauptwerke
des Malers hinzu. Haberditzl war damals der einzige Museumsdirektor, der
Schiele sammelte.
In der derzeitigen Ausstellung hängen gleich neben diesen
Bildern die dazugehörigen Studien. Als Leihgaben. Denn heute gehören sie
zum Bestand der Albertina. Eine Trennung, die einst Haberditzl und auch
den heutigen Hausherrn, Gerbert Frodl, schmerzt, der keinen Streit vom
Zaun brechen will, aber: "Man muss sich zusammensetzen und überlegen". sp
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