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Aus dem Dörnröschenschlaf erwacht

Als imposanter Prachtbau mit neuen Ausstellungsräumen präsentiert sich die Wiener Albertina nach ihrer Renovierung. Zur Eröffnung gibt es Edvard Munch, Freud und Fotos.


WIEN. Der Dornröschenschlaf ist vorbei. Nun ist aus der "Graphischen Sammlung Albertina” eine selbstbewusste "Albertina” geworden - funkelnd, fürstlich, modern. Beiger Marmor im Entrée; Apricot im Innenhof; nach historischen Vorlagen neu gewebte Seidenbespannungen in den Damen- und Herrentrakten, die früher als Büros und Depots dienten. Ansonsten Klassizismus pur: weiß strahlende Mamor-Damen, die sich im Musen-Saal um einen Apollo gruppieren; spiegelnde Bodenfliesen, imposantes Intarsien-Parkett und Putten.

Wer jedoch hofft, irgendwo dem Dürer-Hasen, dem wohl bekanntesten Sammlungs-Objekt der Albertina, zu begegnen, wird enttäuscht. Kurzfristig wird er vom 4. September bis 30. November ausgestellt werden. Sonst lagert er, neben rund einer Million Objekte, in den Depots der Nationalbibliothek und wird später in den hauseigenen Tiefspeicher übersiedeln.

Weil Dauerausstellungen laut Direktor Klaus Albrecht Schröder "denkfaul machen” und die Werke der Albertina-Sammlung höchst lichtempfindlich sind, wird der Öffentlichkeit immer nur eine exklusive Kunst-Auswahl präsentiert. Für sie hat Schröder drei Säle geschaffen, die aussehen wie moderne Ausstellungsräume überall auf der Welt: nüchtern und funktional.

Zur Eröffnung gibt es klassische Moderne. "Edvard Munch - Thema und Variation”. In seiner ganzen Wucht wird hier der Norweger präsentiert, der für Einsamkeit und Verzweiflung, Verführung und Eifersucht Werke von höchster Expressivität schuf. Eine Krankheit, "die ich nicht loswerden will, ein Rausch, den ich brauche”, nannte Munch seine Kunst.

Höchste Gefühlsintensität zeichnet Munchs Werke aus, die hier zum Teil in mehreren Varianten zu sehen sind. Die berühmte "Madonna” verwandelt sich in den verschiedenen Malphasen von einem konventionellen Akt zur Femme Fatale.

Hat Edvard Munch für extreme Empfindungen eine hoch emotionalisierende Bildsprache gefunden, so betreibt der amerikanische Künstler Robert Longo die Erforschung von Gefühlen mit anderen, moderneren, Mitteln. Sein Schwarzweiß-Zyklus "The Sigmund Freud Drawings” besteht aus Bearbeitungen der Fotos von Edmund Engelmann, der Freuds Wohnung kurz vor dessen Emigration abgelichtet hat. Longo hat Details herausgehoben, manches ausgeblendet und Perspektiven zu einer Dokumentation des Unbehagens verschoben.

Unbehagen erzeugen auch manche Bilder der Ausstellung "Das Auge und der Apparat. Eine Geschichte der Fotografie”, mit der die Albertina Einblicke in ihre im Aufbau befindliche Fotosammlung gibt.
Der Umbau der Albertina ist noch lange nicht fertig. Architekt Hans Hollein wird noch ein Titan-Segel als Wahrzeichen vor dem Haupteingang errichten. Dies wird zweifellos für Diskussionen sorgen - wie sein Einbau von Bullaugen-Fenstern in den Trakt entlang der Straße. Die Fenster sind - von innen gesehen - über Augenhöhe angesetzt und lassen sich zwar öffnen, aber danach nicht mehr schließen. Die Albertina selbst, dafür bürgen Architektur, Infrastruktur und die Umtriebigkeit des Direktors, wird aber wohl trotz dieser architektonischen Finessen auf Erfolgskurs schwimmen.
2003-03-13 17:13:10