VN Mi, 10.10.2001

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MEINUNG

Der Posse nächster Akt

VON WALTER FINK

Der Streit um den Kunst-Terminal von Gottfried Bechtold, in dem er Fotoarbeiten von Jeff Koons ausstellte, die nicht jedermanns Gefallen fanden, scheint sich zu einer unendlichen, langsam peinlich werdenden Geschichte auszuweiten. Bekanntlich wurde das Buch mit den Koons-Fotos, das bei manchen Anstoß erregte, aus dem Terminal heraus beschlagnahmt. Gegen diese Beschlagnahme hatte Gottfried Bechtold über seinen Anwalt Einspruch erhoben. Der wurde nun abgewiesen. Die weitere Entscheidung liegt nun bei der Staatsanwaltschaft: Entweder wird das Verfahren eingestellt, oder es kommt, im ungünstigsten Fall, zum Prozeß. Der könnte ziemlich lustig werden, denn man kann davon ausgehen, daß sich die gesammelten Medien anstellen würden, um lustvoll darüber zu berichten, wie in Vorarlberg über eine fotokünstlerische Arbeit von Jeff Koons - denn um die geht es eigentlich - Gericht gesessen wird. Immerhin wäre es das erste Mal, daß Koons, der als Künstler weltweit Ansehen genießt, als Pornograph gebrandmarkt würde.

Für Gottfried Bechtold ist das alles weniger lustig. Denn im schlimmsten Fall könnte er mit einer Arreststrafe von sechs Monaten belegt werden. Da fühle man sich nicht gut, meint Bechtold, wenn er sich auch ganz sicher ist, nichts getan zu haben, was solches Vorgehen rechtfertigt. Er ist nicht allein mit seiner Meinung. Der Feldkircher Rechtsanwalt und Künstler Gerold Hirn meinte jüngst in einem Interview bei Radio Vorarlberg, daß er sich nicht vorstellen könne, daß es hier zu einer weiteren Verfolgung kommen könnte. Denn Bechtold habe nichts getan, was einen Prozeß möglich erscheinen lasse. Er habe nicht vorsätzlich, auch nicht mit Gewinnabsicht gehandelt. Man könne ihm, kurz gesagt, kein unlauteres Motiv unterstellen. Er, Hirn, habe die Arbeiten von Koons schon in mehreren Museen oder bei der Biennale in Venedig gesehen, in großen Ausstellungsräumen mit tausenden Besuchern, in Originalgröße, ohne daß es zu irgendwelchen Konsequenzen gekommen sei. Lediglich in Vorarlberg meine man nun, daß man neue Maßstäbe von Moral setzen müsse. Sein Vertrauen in das Gericht, so Hirn, sei allerdings so groß, daß er sich sicher sei, daß das Verfahren eingestellt werde. Andere sind sich da nicht so sicher. Auch Gottfried Bechtold findet das inzwischen nicht mehr sehr unterhaltlich. Er ist nicht allein damit. Denn das Lachen über diese Posse bleibt einem doch im Hals stecken. Spätestens dann, wenn man darüber nachdenkt, wo wir eigentlich hier leben. Der eigentliche Vorwurf nämlich ist, daß Bechtold jungen Menschen unter 16 Jahren etwas zugänglich gemacht habe, das "die sittliche oder gesundheitliche Entwicklung jugendlicher Personen durch Reizung der Lüsternheit oder Irreleitung des Geschlechtstriebes gefährdet". Wo leben denn eigentlich die, die glauben, daß mit einem Foto - welcher Natur immer - die Lüsternheit gereizt, der Geschlechtstrieb irregeleitet werde? Man kann nur mit Gerold Hirn entgegnen, daß man heutzutage lediglich an den nächsten Kiosk gehen muß, um in Machwerken zu blättern, die unvergleichlich "Lüsterneres" anbieten. Und die sind jedem Kind zugänglich. Einmal ganz zu schweigen, was im Internet angeboten wird, in dem die "Kids" bekanntlich viel besser die sie interessierenden Dinge finden als wir "Alten" das annehmen - nur weil wir damit nicht umgehen können.

Ohne in irgendeiner Form in ein Verfahren eingreifen zu wollen, darf man sich doch langsam wünschen, daß hier Vernunft einkehrt. Die ursprüngliche Posse gerät immer mehr zur Provinzposse, mit jedem zusätzlichen Akt wird das Stück peinlicher. Und man will sich eigentlich auch nicht länger mit dieser Sache befassen. Zu sehr gerät sie in die Lächerlichkeit. Auch wenn einem, wie gesagt, das Lachen schon vergangen ist.

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Die persönliche Meinung des Gastkommentators muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen. Auf Wunsch des Autors erscheint diese Kolumne in der alten Rechtschreibung.




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