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"Adieu!"-Ausstellung: Wilde Frauen, wilde Krieger

23.01.2010 | 18:33 | von Almuth Spiegler (Die Presse)

Die Galeristin Christine König verabschiedet sich mit einer "Adieu!"-Ausstellung von ihren verstorbenen Künstlern Nancy Spero und Leon Golub.

Ein wenig bang wird einem schon ums Herz, wenn Christine König die Fotos vom letzten Besuch bei Nancy Spero in New York herzeigt: Unglaublich zerbrechlich sieht diese amerikanische Grande Dame der feministischen Kunst hier aus, trotzdem strahlt sie, ihr Gesicht zeitlos schön. Ihre Hände sind verkrüppelt von der Gicht wohl. Seither hat sich Spero aus ihren mythischen Frauenfiguren Holzmodel schnitzen lassen, die sie dann selbst nur noch in Farbe pressen und auf Papier drucken musste.

Mehrere solche Drucke, rund wie Tondi, hängen jetzt bei Christine König an der Galeriewand, ganz schlicht mit Nägeln angepinnt. Sie zeigen Mänaden, „Rasende“, die aus der Antike bekannten Begleiterinnen der dionysischen Umzüge. Es waren vergleichsweise freie, wilde Frauen, so etwas wie Ur-Emanzen vielleicht, entschuldigt durch den ausschweifenden Kult, dem sie dienten. Auch eine antike Dildo-Tänzerin hat sich unter sie gemischt – ebenfalls eine Fixstarterin in Nancy Speros neu arrangiertem Reigen historischer Frauenbilder, für den sie griechische, ägyptische, indische und zeitgenössische Mythen durchforstete.

Antike Tänzerinnen in der Kaserne. Auszüge aus Speros weiblichem Universum sind an den Wänden des Jüdischen Museums Wien zu sehen. Ebenfalls im Foyer des Ronachers. Oder, originellerweise, im Kasino der Innsbrucker Heereskaserne. Und in Königs Privatwohnung. 20Jahre lang, erzählt die Galeristin, hat sie für Spero in Österreich gekämpft, meist vergeblich, nur ihre Freundinnen vertrauten ihr, kauften Arbeiten – und können sich jetzt glücklich schätzen. Ende des Jahres wird Spero mit einer großen Einzelschau im Centre Pompidou geehrt. 2009 bekam sie den Herbert-Boeckl-Preis in Salzburg. Sie konnte ihn nicht mehr in Empfang nehmen, nur wenige Monate später starb sie in New York.

Zu ihrem Abschied, erzählt König, versammelten sich die wichtigsten feministischen Künstlerinnen New Yorks. Vergeblich versuchte die Galeristin in diesem Umfeld das Geheimnis zu lüften, ob Spero tatsächlich zu den „Gorilla Girls“ zählte, einer anonymen feministischen Künstlerinnengruppe, die seit 1985 international aktiv ist, etwa bei der Biennale Venedig 2005. „We don't know“, lautete die kryptische Antwort der Eingeweihten. Doch Spero war nicht nur Frauenrechtlerin, sondern auch glühende Pazifistin: Ein meterlanges Banner mit dem militärischen Befehl „Search and destroy“ an der Galeriewand erzählt von ihrem Engagement gegen den Vietnam-Krieg.

Wie eine Vaterfigur. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem 1922 geborenen Maler Leon Golub, war Spero politisch aktiv. Lange stand sie auch künstlerisch in seinem Schatten. Heute noch ist der 2004 verstorbene amerikanische Maler ihr zumindest am Kunstmarkt weit voraus: Für die Tribute-Ausstellung an das Paar – „Golub war eine Vaterfigur für mich“ – hat Christine König ihre eigene Sammlung plündern müssen. Drucke von Spero kosten um die 6000 Euro. Ein toter Mao aus Golubs Diktatoren-Serie, den König noch ausgegraben hat, 85.000 Dollar. Einen ähnlichen Mao hatte sie vor Jahren noch um überschaubare 15.000Dollar an ein Stockholmer Museum verkauft. Die zwei Großformate, die König ausstellt, sind dagegen überhaupt nur geliehen, stehen also nicht zum Verkauf – allein ihre Versicherungssumme beläuft sich auf eine Million Dollar.

Es sind aber auch zwei wirklich starke Leinwände, die da lose von der Wand hängen: Düster sind sie, in Golubs typischer Technik entstanden – er kratzte die Ölfarben mit Rasiermessern wieder ab. Es entsteht eine Welt voll ungewisser Aggression, Tod und Bedrohung, wobei man zwischen Opfern und Tätern nicht unterscheiden kann. Der Zweite Weltkrieg und Vietnam haben Golubs expressive Malerei stark geprägt.

„Für mich waren die beiden Vorbilder, unendlich gebildet und zutiefst sozial“, erinnert sich König. „Der Inbegriff jüdischer Hochkultur.“ Musste sie etwa wieder einmal von einer erfolglosen Wiener Galerie-Ausstellung berichten, in der sie nichts verkaufen konnte, habe Golub sie nur milde beruhigt, erzählt sie: „Warte nur, bis ich tot bin, du wirst das erwarten, du bist noch jung.“

„Adieu! A tribute to Nancy Spero and Leon Golub“, bis 6.3., Schleifmühlg. 1a, Di–Fr 11–19h, Sa 11–15h.


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