diepresse.com
zurück | drucken

01.12.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Secession: Unergründliche Künstlichkeit
VON SABINE B. VOGEL
Film & Foto von Jeroen de Rijke/Willem de Rooij, Christopher Williams.

Wie ungerecht doch die Aufteilung in einen großzügigen Haupt raum und die kleinen Neben räume sei, hört man seit Jahren als Klage über das Haus der Wiener Secession. Also entschied der Vorstand eine Gemeinschaftsausstellung mit den Filmen des holländischen Duos Jeroen de Rijke/Willem de Rooij und den Fotografien des US-Amerikaners Christopher Williams.

Es sind zwei streng konzeptuelle Positionen, die derselben Fragestellung nachgehen: Wo beginnt Wirklichkeit bzw. wie kommt Wirklichkeit ins Bild? Die Unterschiede allerdings sind ebenso gewichtig. "Kunst ist künstlich und das mögen wir" postulieren de Rijke/de Rooji, dem Williams ein Interesse am "Sosein" der Dinge zur Seite stellt. Aus diesem Patt entwickeln die drei das Leitmotiv der Verdoppelungen: Christopher Williams' Fotografien mit Farbstreifen im Bild begegnen de Rijke/de Roojis Diashow von ausschließlich orangen Farbtönen und Williams' spätkonzeptueller "architektonischer Intervention" - das ausrangierte Schild zum Beethovenfries liegt unten in der Kellergalerie allzu beiläufig auf dem Boden - stellen de Rijke/de Rooji einen kaukasischen Teppich zur Seite.

Diese Leihgabe des MAK Wien ist das "Gegenstück" des Teppichs in ihrem 35mm-Film "The Point of Departure", der 26 Minuten lang einen Teppich von der absoluten Nahsicht bis zum Entschwinden zeigt. "Point of Departure" stammt aus jener Phase, als de Rijke/de Roojis Werke Kultcharakter besaßen: Filme mit festen Anfangszeiten und zugleich völlige Filmverweigerung, weil die Bilder zu schön, die Handlung zu arm, die Bedeutung zu unergründlich ist. Mit ihrem diesjährigen Biennale-Venedig-Beitrag, der auch in der Secession läuft, durchbrechen sie ihr strenges Konzept allerdings. "Mandarin Ducks" inszeniert 36 Minuten lang im Stil einer Sitcom mehrere Menschen in diversen Konflikten rund um Klassenzugehörigkeit, Vorlieben und Abneigungen, dabei Dialoge, Bewegungen und Arrangements bis zum Äußersten überspitzend.

Auch Christopher Williams gilt als ein Meister höchst artifizieller Bilder, allerdings nicht üppig, sondern minimal. Auf ein einziges Bildmotiv reduziert, sind seine Fotografien zwar schön, aber auch langweilig - das "Sosein" allein ist unerheblich. Banale Motive wie eine lachende Frau mit gelbem Handtuch auf dem Kopf, Fotoapparate, eine Postbox und motorisierte Fahrräder verteilen sich spärlich im Hauptraum der Secession. Was hat das zu bedeuten?

Tatsächlich, so erklärt Williams, gehören all diese Motive zu einem Themenblock: die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, die Zeit des Kalten Krieges. Der Kiev-88-Fotoapparat ist das ukrainische 80er-Jahre-Gegenstück zur berühmten Hasselblatt, die Dusch-Damen entstammen einer Zeit, als in der Werbung noch Modells über 30 gefragt waren - und so berichtet der Künstler zu jedem Motiv von einer epochenspezifischen Aussage. Allerdings sind all diese Informationen nur sprachlich zu vermitteln und dazu noch abhängig von der Fragestellung des Betrachters - die Fotos allein können nichts davon kommunizieren. Was Williams bildnerisch reduziert, überfrachtet er im bedeutungsschwangeren Hineinlesen. So gerät in der Ausstellung auch die Frage rund um die Wirklichkeit zu einer artifiziellen Angelegenheit, um die sich die Künstler selbst kaum mehr kümmern und stattdessen lieber die Räume in Bilder verwandeln, die zumindest eines deutlich machen: Wirklichkeit ist subjektiv und, manchmal immerhin, wunderschön.

© diepresse.com | Wien