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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
16. Februar 2005
17:59 MEZ
Von
Markus Mittringer

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leopoldmuseum.at

Bis 30.5.

 
Foto: Leopoldmuseum

Gehirnadaptergesteuert
Das Leopold Museum zeigt erstmals eine Retrospektive auf den fast vergessenen österreichischen Zeichner Karl Anton Fleck

Der erlebte und ersann Welten voller grotesk mutierter Geschöpfe unter der Knute von Kommerz und Dummheit.


Wien – Er ist vor 22 Jahren gestorben. Ab und an taucht eine seiner unverkennbaren Zeichnungen in einer Auktion auf, oder es findet sich ein Blatt in verstaubten Grafikmappen mancher Händler. Die Wiener Galerie Chobot hat 1987 seinen Nachlass erworben. Und veranstaltet seitdem "Gedächtnisausstellungen". Ansonsten war Karl Anton Flecks Werk dem Vergessen überlassen. Es hat noch in keiner Geschichte der österreichischen Kunst einen gebührenden Platz gefunden, noch keine wissenschaftliche Bearbeitung erfahren. Und selten auch finden sich Arbeiten Flecks in Schauen zur Kunst der 60er- und 70er-Jahre.

Das sollte sich ändern. Das Leopold Museum zeigt eine erste große Retrospektive auf den Außenseiter, über den gerne erzählt wird, er wäre ebenso exzentrisch gewesen wie seine Arbeit. Dieser Oberflächendiagnose stellt Kuratorin Romana Schuler gut 220 Arbeiten in den Weg. Auf grellbunten Stellwänden hat sie "den Fleck" im Untergeschoß des Leopold Museums inszeniert, hat, so weit das möglich war – Flecks akribisch geführte Tagebücher fielen dem Schamgefühl seiner Hinterbliebenen zum Opfer –, eine Biografie erarbeitet.

Das Material könnte den Grundstock bilden, das auf etwa 3000 Arbeiten geschätzte Oeuvre vollständig zu dokumentieren (in der Sammlung Leopold selbst finden sich etwa 120 Werke). Und die Schau sollte zeigen, wie beeindruckend nicht nur Flecks grafisches Talent gewesen ist, sondern viel mehr noch, wie aktuell die Themen sind, die Fleck von den 60er- bis zu den beginnenden 80er-Jahren bearbeitet hat. Meist steht er selbst im Mittelpunkt: Als Betroffener, ausgeliefert den Unerträglichkeiten ringsum, den Maschinen und ihren Managern, dem Verkehr, dem Fortschritt und all den anderen leeren Versprechungen und der stets präsenten Vogel- wie auch Hundescheiße.

In den Bildwelten Karl Anton Flecks haben eindeutig die Apparate das Kommando. Die Menschen sind mutiert. Auf Knopfdruck wachsen ihnen Zusatzfinger, zur Fortbewegung wurden ihnen Prothesen aufgeschwatzt, mit denen sie nun untrennbar verbunden sind. Die jetzt im Stechschritt die Richtung angeben. Um das Denken zu unterbinden, wurden ihnen Gehirnadapter zugewiesen, die Schizophrenen brauchen zwei davon, sie sind in der Mehrheit – Industriehunde oder einfach Weggesperrte, Entsorgte.

Romana Schuler gab der Retrospektive den Titel "Anthropologische Maschine", ein Verweis auf Giorgio Agambens Essay von 2002, Das Offene – Der Mensch und das Tier. Der logisch nächste Schritt zur Wiederentdeckung Flecks wäre die Gegenüberstellung seines Werks mit zeitgleichen Visionen von Günter Brus über Bruno Gironcoli bis Walter Pichler.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.2.2005)


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