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Quer durch Galerien

Die verpassten Sündenfälle

Von Claudia Aigner

Debattieren Sie mit!Nicht einmal das Schlaraffenland kriegt das hin, dass sich die Äpfel verpuppen und irgendwann schlüpft dann ein wunderschöner Apfelstrudel. Wenn also die fleißige Goldmarie auf dem Weg zur Frau Holle Äpfel von einem übervollen Apfelbaum herunterschüttelt und sie einfach liegen lässt, passiert von alleine bestimmt nichts Appetitliches.
"Hh!" (Rückwärts gesprochen, nämlich ruckartig beim Einatmen artikuliert.) Dieser Laut trifft den Schauder wohl am ehesten, der einen beim Betreten der Galerie König (Schleifmühlgasse 1 a) überkommt, wo man bis 11. Mai von erschreckend diesseitigen, schockierend lebensechten Äpfeln überrumpelt wird. (Obwohl ich natürlich nicht zu denjenigen gehöre, die beim Kontakt mit realistischer Kunst einen anaphylaktischen Schock bekommen.) Im gemalten Gras ist so viel Fallobst, dass es schon unheimlich ist. Als würden hier schier unzählbare verschmähte (bzw. verpasste) Sündenfälle allmählich dem Kompost entgegenfaulen.
Von bissfesten Äpfeln bis zu solchen, die ihrem Verfallsdatum gefährlich nahe gekommen sind: Karin Kneffel hat eine ganze "Apfelpopulation" absolut augentäuschend auf Leinwand gemalt. Memento mori kommt einem da in den Sinn. Oder dass die Äpfel vielleicht nur Stellvertreter für etwas Existenzielleres wären. Aber man schießt wohl über das Ziel hinaus, wenn man die Äpfel auf sechs Milliarden Stück hochrechnet. Denn dann wäre die Wiese mit dem schicksalhaft verderbenden Obst so etwas wie das Gelobte Land für Existenzialisten (oder Fatalisten).
Kolossale, einschüchternde Weintrauben gibt es auch. Und herumtänzelnde Kirschen, bei denen man fast schon von Beinarbeit sprechen muss. Oder einen Teppich, dem man versehentlich einen Staubsauger antun könnte. Die opulenten Bilder (die man mit den Augen gierig aufjausnet) sind freilich auf Fernwirkung angelegt. Kommt man ihnen zu nahe, dann hat man eine deutlich erkennbare Pinselarbeit vor sich. Auch diese unerwartete Entdeckung ist reizvoll.
Ein brutales Ausleseverfahren: Die Zeichnungen von Franz Blaas (bis 13. April in der Galerie Gerersdorfer, Währinger Straße Nr. 12) rufen gewissermaßen "hu!" (wie das die Kinder tun, die plötzlich hinter der Tür hervorspringen), und zum Schluss bleiben nur noch die Betrachter übrig, die sich von den eher plumpen Blättern nicht abschrecken und vertreiben lassen. Die Arbeiten (wahrlich keine lieblichen Bildchen) sind so unmittelbar, da hängen manchmal sogar die Bleistifte noch dran, die bekanntlich nicht nur in Symbiose mit dem Bleistiftspitzer leben, sondern auch mit der Zeichnung (je voller das Papier, desto kürzer der Bleistift). Im "Stillleben" hat etwa der (gezeichnete) blaue Buntstift noch nicht vom Blau des Himmels abgedockt. Die Blätter haben Witz (nicht nur im komischen Sinne). "Akrobatin": Eine Katze zeichnet mit ihrem "Bleistiftschwanz" den Boden unter ihren Pfoten. Und hat womöglich sogar sich selbst erschaffen. Ach hätte Blaas das bloß besser gezeichnet!
Wenn Tonia Kos (bis 12. April in der Galerie M-Art, Börseplatz 3) ihre Farbe mit dem Pinsel wirft, dann besteht keinerlei Ähnlichkeit mit den wüsten "Ejakulationen" von Jackson Pollock. Verhaltene Sinnlichkeit, Harmonie, Stille, viel Weiß. Chinesisches Papier legt sich drüber wie die dünne Haut auf der heißen Milch, in die man hineingeblasen hat. Und wo ist der Sand her, der da und dort ins Bild hineinkriecht? Kos: "Ich würde Ihnen ja gerne sagen: vom Nordpol. Nein, der ist vom Bauhaus." Der hochprozentigen Ausstrahlung dieser wunderbaren Bilder wäre es aber durchaus angemessen, wenn der Sand von dorther käme, wo es gar kein Land gibt.

Erschienen am: 05.04.2002

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