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Wien Museum neu: Karlsplatz oder Morzinplatz

23.02.2011 | 18:21 | von BARBARA PETSCH (Die Presse)

Wolfgang Kos, Direktor des Wien Museums, im Gespräch: Ihm bereitet die lange Standortdiskussion Sorgen. Der Haerdtl-Bau am Karlsplatz muss dringend saniert werden. Eine baldige Entscheidung sei unbedingt nötig.

Die Presse: Gibt es Neues beim Neubau des Wien Museums?

Wolfgang Kos: Wir befassen uns in letzter Zeit vor allem mit Erfolgsfaktoren von Standorten. Und auch wieder stärker mit dem Standort Karlsplatz: mit der Erweiterung des vorhandenen Haerdtl-Baus von 1959, kombiniert mit einem gut sichtbaren Neubau zur Straße hin und einer unterirdischen Ausstellungshalle. Der notwendige Raumgewinn ist möglich, für ein starkes Architektursignal gibt es Spielraum. Die Diskussion war zuletzt zu sehr von Neubau-Varianten irgendwo in der Stadt bestimmt.

Eine Zeitlang gab es die Idee einer unterirdischen Verbindung zwischen Wien Museum und Künstlerhaus, die stark in den Medien war.

Das war immer eine mediale Fiktion. Diese Variante ist überhaupt nicht möglich, weil da der Wien-Fluss und die U-Bahn dazwischen sind. Es gibt gar keine Möglichkeit einer Verbindung. Das ist wie der Grand Canyon.

Welche Neubau-Variante bevorzugen Sie?

Es geht nicht um private Vorlieben. Mir wurde eine große Verantwortung übertragen, nämlich dieses bedeutende Museum, das unter seinem Wert geschlagen wird und einzigartige Sammlungen hat, zu einem Museum des 21. Jahrhunderts zu entwickeln. Und zwar so, dass es in Zukunft Erfolg hat. Das geht nur in zentraler Lage, die mindestens so gut ist wie der Karlsplatz.

Erweiterung oder Neubau, das wird meiner Erinnerung nach beim Wien Museum schon seit den 1980ern debattiert.

Meine Zeitrechnung beginnt mit der gelungenen Neupositionierung des Museums. Das führte zu einem neuen Anlauf. Jetzt drängt die Zeit. In den nächsten Monaten sollte eine Entscheidung fallen. Der ramponierte Haerdtl-Bau muss dringend saniert werden. Sinnvollerweise sollte man das mit neuen Perspektiven kombinieren.

 

Eine Variante wäre ein Neubau am Morzinplatz?

Ja, weil sich dort eine grandiose Vision für ein Top-Museum zum Thema Wien bietet: ein optimal sichtbares neues Stadtzeichen an der Waterfront, mit internationaler Wirkung, mit großem Tourismus-Potenzial. Zur Zeit rinnt die Innenstadt dort aus. Das Museum wäre ein Impuls für dieses zentral gelegene Brachland. Die Stadtplaner suchen seit den Zerstörungen von 1945 nach zündenden Ideen. Hier brächte zeitgenössische Architektur den dringend notwendigen Kontrapunkt zur historischen, aber statischen Altstadt – und das alles nur fünf Minuten vom Stephansplatz und 50 Meter vom Verkehrsknoten Schwedenplatz. Bei einem neuen Standort muss Erfolg garantiert sein, und er soll für alle Wiener gleich gut erreichbar sein, von Ottakring aus ebenso wie von Hietzing. Wir müssen darauf achten, dass wir nicht ins Off geraten. Deshalb ist z.B. der Hauptbahnhof ein riskanter Standort. Wir haben auch den Hermannpark bei der Urania untersucht. Doch dort fehlen die urbane Umgebung und die Anbindung an den öffentlichen Verkehr.

Die von Kulturstadtrat Mailath-Pokorny initiierte Standortdebatte könnte auch dazu dienen, dass man Zeit gewinnt, weil die 30 bis 70 Mio. Euro, die für einen Erweiterungs- oder Neubau nötig sind, fehlen.

Ich bin nicht naiv und weiß, dass eine Jahrhundertchance Geld kostet. Es war Stadtrat Mailath, der die faszinierende Neubau-Idee hatte und das Wien Museum zu seinem Leitprojekt erklärt hat. Jetzt ist das Projekt auch im rot-grünen Koalitionspakt verankert und damit sehr konkret.

Aus dem Rathaus hieß es zuletzt, Sie seien zu schnell.

Ein Kompliment! Das frühere Historische Museum ist seit Jahrzehnten vernachlässigt worden. Es wäre schön, wenn ich die Erneuerung noch miterleben würde.

Wie sehen Sie die inhaltliche Positionierung des Wien Museums?

Die Sammlungspräsentation ist überholt. Sie muss völlig neu geschaffen werden, viel attraktiver und museologisch zukunftsweisend. Das ist wichtig für die Schüler, für neue Besucherschichten und für die Touristen. Wir müssen das Fehlen einer zeitgemäßen Dauerausstellung seit Jahren mit einem Stakkato von Sonderausstellungen kompensieren. Nur die bringen das Publikum, zur Jandl-Show kamen über 23.000 Besucher. Bei den Fotos von Trude Fleischmann haben wir an jedem Wochentag ca. 500 Leute. Wir hatten im Künstlerhaus, wohin wir aus Platzgründen auswichen, bei „Kampf um die Stadt – Politik, Kunst und Alltag um 1930“, 60.000 Besucher, das war die am besten besuchte kulturhistorische Ausstellung der letzten Jahre in Wien. Das hängt sicher auch mit dem Standort Karlsplatz zusammen.

Welche Themen sind für Sie wichtig?

Alle mit generalistischer Dimension: Kunst im gesellschaftspolitischen und Alltags-Kontext – und umgekehrt. Keine simplen Blockbuster, sondern spannende Themen nach dem Motto „Neues aus der Vergangenheit“.

Was kommt demnächst?

Am 11.März wird die Ausstellung „Der Dombau von St. Stephan“ eröffnet, in Kooperation mit dem Kupferstichkabinett der Akademie, denn dort und im Wien Museum befinden sich die Originalpläne aus dem Mittelalter. Die sind jetzt auch Unesco-Weltdokumentenerbe. Von keinem gotischen Dom Europas sind so viele Baumeisterpläne erhalten. Nun gilt es, diese Sensation den Wienern bekannt zu machen.

Im Künstlerhaus kommt ab 17. Juni eine Makart-Ausstellung gemeinsam mit dem Belvedere. Was ist das Neue? Hans Makart (1840–1884) galt früher als eher Plüsch-und Schwulst-Verbreiter.

Das ist ein Missverständnis. Der Untertitel der Ausstellung heißt „Ein Künstler regiert die Stadt“; wir zeigen nicht nur großartige Gemälde – viele sind in unserer Sammlung –, sondern stellen den Malerfürsten auch in Beziehung zur Stadt. Makart war Allround-Designer der Ringstraßen-Epoche, einer Zeit des großen Aufbruchs. Er prägte die Mode, das Wohnen; sein Atelier war ein Machtzentrum und ein gesellschaftlicher Mittelpunkt für die damalige Seitenblicke-Gesellschaft.

 

Gibt es einen Überbegriff, ein Motto, wie Sie das Museum in Zukunft positionieren wollen?

Die neue Dauerausstellung wird eine neue, pluralistische Wien-Erzählung sein. Bildung ist ebenso wichtig wie Schaulust, Klimt ebenso wichtig wie die Zeitgeschichte oder das Wohnelend der Zuwanderer im Schatten der glanzvollen Ringstraße. Sicher wird es keine biedere chronologische Darstellung Wiens von den Kelten bis zur Erfindung der Straßenbahn geben. Es geht um Themen, die einen Schlüssel zum Verständnis der Stadt bieten und heute Gewicht haben, z.B. die Geschichte der Zuwanderung.

 

Mit Wien verbinden sich viele Stereotypen: Gemütlichkeit, Musik...

In diesen Mythen gibt es immer ein Moment der Konstruktion, das wollen wir zeigen. Wir wollen kein Museum für chauvinistische Wiener Heimatgeschichte sein. Ein wichtiger Schwerpunkt wird das späte 19. und der Anfang des 20. Jahrhunderts sein, jene Zeit, als Wien einen entscheidenden Schub in Richtung Metropole erlebte. In der künftigen Dauerausstellung wird sicher die Hälfte der Fläche dem 20. Jahrhundert gehören.


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