Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte
Das Kunststaulager Spoerri zeigt sehenswerte Arbeiten von Eva Aeppli

Besuch der alten Damen

Trotz ihrer Schlankheit dominant: Eva Aepplis Frauenfiguren in Hadersdorf am Kamp. Foto: Spoerri Museum

Trotz ihrer Schlankheit dominant: Eva Aepplis Frauenfiguren in Hadersdorf am Kamp. Foto: Spoerri Museum

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Daniel Spoerri will dem Publikum im zweiten Jahr seines "Kunststaulagers" in Hadersdorf am Kamp die Arbeit seiner vielen international bekannten Freunde zeigen. Die erste ist eine besondere Freundin, Eva Aeppli, die er vor 60 Jahren in Paris als erste Frau des Schweizer Künstlers Jean Tinguely kennenlernte. Aeppli hatte in den 50er Jahren in der damaligen Kunsthauptstadt Paris versucht, das mittellose Künstlerpaar durch das Nähen von Seidenpuppen zu er halten.

In einem Manifest des Kunstkritikers Pierre Restany wurden Tinguely und Spoerri 1960 mit Arman (Armand Pierre Fernandez), César (Baldaccini), Yves Klein und Martial Raysse zur losen Gruppe der "Nouveaux Réalistes" verbunden. Sie kombinierten Dadaismus, Surrealismus und Aktionismus – Spoerris "Eat-Art" dabei nicht zu vergessen – und wandelten mit ihren Materialbildern aus Alltagsschrott, Textil und Papier die Skulptur zur Objektkunst.

Zarte Gegengeschöpfe

Tinguelys zweite Frau Niki de St. Phalle und Aeppli gingen spezifische Wege: Während Nikis "Nanas" bunt und üppig aus Kunststoff entstanden, sind Aepplis schlanke, teils lebensgroße Figuren aus Stoff zarte Gegengeschöpfe mit ausdrucksstarken Physiognomien. Die skurrile Großausgabe ihrer frühen Puppen erinnern an barocke Experimente wie die Köpfe von Franz Xaver Messerschmidt oder afrikanische Fetische.

Aeppli, 1925 in der Schweiz geboren, studierte 1943 bis 1945 in Basel an der Kunstgewerbeschule, bevor sie 1953 ihre Heimat in Richtung Paris verließ. Ihre künstlerische Arbeit begann mit Kohlezeichnungen und gestickten Bildern, die sich dem düsteren Nachkriegsthema "Totenreigen" widmen. Erst nach einigen Jahre Malerei wandte sie sich eigenwilligen lebensgroßen Stofffiguren zu, welche zu ganzen Installationen wie "Die schwarzen Witwen" angeordnet werden. Trotz ihrer Schlankheit und der Seiden- und Samthülle dominieren sie die Schauräume des ehemaligen Klosters in Hadersdorf mit eigenwilliger Präsenz. Für die Ausstellung sind von vielen privaten Sammlern und Museen, wie jenem Jean Tinguelys in Basel, Leihgaben gekommen.

Ironische Aufhellung

Kosmische, esoterisch angehauchte Welterklärungen bestimmen die zuerst aus Stoffhüllen ab 1975 gefertigten Köpfe, die um 1990 in Bronze nachgegossen wurden – die dabei sichtbaren Nahtstellen weisen eine Ähnlichkeit mit den zeitgleiche "Lemuren" eines Franz West auf. Das scheinbar Düstere im Inhalt wird dann auch bei Aeppli selbst in Totenköpfen immer wieder durch ironische Aspekte und Collagen mit Stiefmütterchen konterkariert.

Daniel Spoerri hat "Olga" – das fragile Geschenk der langjährigen Weggefährtin, einen Kopf mit dazugenähten Händen auf Draht – mit einem Blumenband geschmückt: Das Manifest einer starken Verbindung aus der Zeit des Aufbruchs zu internationalen Höhen der Kunst von allen Beteiligten. Schön, dass "Der Besuch der alten Dame" so nahe von Wien (knapp eine Auto-Stunde) stattfindet.

Aufzählung Ausstellung

Eva Aeppli "erst letzt das erste.. ."
Daniel Spoerri, Barbara Räderscheidt (Kuratoren)
Kunststaulager Spoerri
Hadersdorf am Kamp, Hauptplatz Nr. 23

Printausgabe vom Dienstag, 30. März 2010
Online seit: Montag, 29. März 2010 16:21:00

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.
Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at