Leopold Museum: erstmals umfassende Christian-Schad-Retrospektive
Vom Kubismus zum Realen
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Ästhetik der Sachlichkeit: "Agosta, der Flügelmensch und Rasha, die schwarze Taube" (1929). Foto: Chr.-Schad-Stiftung
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00082434-Dateien/wzfeld.gif)
Ausgerechnet den bekanntesten Vertreter der "Neuen Sachlichkeit",
Christian Schad (1894 bis 1982), hat das österreichische Publikum
bisher, abgesehen von einer Salzburger Schau, noch nicht zu Gesicht
bekommen. Nun widmet sich erstmals eine umfassende Retrospektive des
Leopold Museums seinem Oeuvre. Dabei werden gerade die unbekannten
Jahre seines Früh- und Spätwerks einer Neubewertung unterzogen. Viel
Aufmerksamkeit bekommt auch die Erfindung der collagierten Fototechnik
ohne Kamera, "Schadographie", die später durch Nachahmer wie Man Ray
und Lászlo Moholy-Nagy über Amerika weltberühmt wurde.
Beginnend
mit einem unbekannten expressionistischen Selbstporträt und mehreren
monochromen Werken setzt der chronologisch aufgebaute Rundgang im
ersten Untergeschoß des Museums an. Die Gemälde verbinden Kubismus und
Expressionismus in Grisailletechnik. Später, unter dem Einfluss des
Dadaismus bei einem Aufenthalt in der Schweiz, kommen neben der Farbe
auch Worte in die Porträts.
Von München, wo Schad studierte, nahm er den Einfluss der psychisch
aufgeladenen Kunst eines Oskar Kokoschka und den Kubismus Robert
Delaunays mit auf den Weg in die Emigration vor dem 1. Weltkrieg. Mit
dem österreichischen Schriftsteller Walter Serner gab Christian Schad
in Zürich die Zeitschrift "Sirius" heraus. In Genf entstanden neben
Porträts psychisch Kranker im Jahr 1917 die ersten "Schadographien",
Fotogramme auf direkt belichtetem Fotopapier. Die dafür verwendeten
kleinen Objekte werden in Vitrinen präsentiert, ebenso Schads
Skizzenblöcke und Malutensilien.
Großstadtmenschen und Papst im Porträt
1920 bis 1925 verbrachte Christian Schad in Neapel, wo italienische
Renaissancebilder von Sandro Botticelli und Raffael sowie die moderne
Gruppe Novecento die Wende zum Realismus auslösten. Am Beginn seiner
internationalen Bekanntheit, die vor allem die im typisch "magischen
Realismus" der "Neuen Sachlichkeit" gemalten Großstadtmenschen
einleiteten, steht das Papstporträt von Pius XI. Im Unterschied zum
späteren Fotorealismus ist seine Ölmalerei immer nach Modellen oder aus
der Fantasie gemalt, und zwar mit einer brillanten Glätte der
Oberfläche. Von 1925 bis 1927 war Schad in Wien, wo ihn Lea Bondi in
die Galerie Würthle integrierte, danach lebte er bis 1942 in Berlin.
Hintergrundkulisse seiner Gemälde war freilich oft Paris.
Unter den Hauptwerken sind Selbstbildnisse, eine Auswahl der schönen
Modelle Maika, Sonja oder Bettina und andere Vertreter der flotten
Zwanzigerjahre und des Artistenmilieus zu finden. Makellose Oberfläche
und Lasurtechnik verhalfen Schad auch in der Nazizeit zu Aufträgen für
Magazine oder Porträts, obwohl seine expressiven Reste und teils
ironischen Inhalte kritisiert wurden.
In Aschaffenburg, wo Christian Schad ab 1942 lebte, kopierte er ein
Madonnenbild von Matthias Grünewald. In der auch für ihn kargen
Nachkriegszeit kam es in den Sechzigerjahren durch seine Freundschaft
mit dem ähnlich realistisch malenden Francis Picabia und durch
Wiederaufnahme früherer Techniken sogar zu der Annäherung an die
Pop-Art. Schad stellte außergewöhnliche, bis heute wenig bekannte
Collagen her, die Gerhard Rühm beeinflussten.
In der Malerei Ostdeutschlands ist Christian Schads Einfluss bis
heute in der Leipziger Schule mit Ulrich Hachulla und Michael Triegel
spürbar. Da Schad in Hochzeiten der Abstraktion immer Realist blieb,
kann das erst wenig beachtete Spätwerk noch vom Publikum entdeckt
werden.
Ausstellung
Christian Schad.
Retrospektive Rudolf Leopold und Michael Fuhr (Kuratoren) Leopold Museum Bis 6. Jänner 2009
Donnerstag, 25. September 2008
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