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Der Gärtner einer geistigen Natur

Heimspiel von Lois Weinberger in der Innsbrucker Galerie im Taxispalais: Der in Wien lebende Tiroler zeigt Arbeiten aus den vergangenen zehn Jahren.

TT: Um das Verhältnis von Kunst und Natur geht es in Ihrer großen Ausstellung in der Galerie im Taxispalais. Ein Thema, das Sie schon seit vielen Jahren beschäftigt.
Weinberger: Die Natur entspricht in meiner Kunst aber nicht dem üblichen Klischee. Ich habe mir meinen eigenen Begriff von Natur erarbeitet. Ich trenne die sichtbare von der geistigen Natur, und um diese geht es mir letztlich.

TT: Was verstehen Sie unter geistiger Natur?
Weinberger: Für mich umfasst die geistige Natur alle jene Phänomene, die uns entstehen und vergehen lassen. An der Pflanze interessieren mich die Phänomene von Wert und Nichtwert, von Größe und Kleinheit, von absoluter Anspruchslosigkeit und anspruchsvoller Künstlichkeit.

TT: Sie benützen die Pflanze also als Metapher für die existenziellen menschlichen Fragen.
Weinberger: Ja, die Pflanze ist für mich die Metapher für alle flexiblen Systeme, die uns umgeben. Das umfasst das Politische genauso wie das Ökonomische und Kulturelle. Dem gehe ich in meiner Art Kunst zu machen nach. Aber letztlich interessiert mich die Pflanze erst, wenn sie verschwunden ist, wenn also nur mehr die Bezüge bestehen.

TT: Ihr Interesse besteht primär am Unkraut, also an Pflanzen, die es für den üblichen Gärtner eigentlich gar nicht geben sollte.
Weinberger: Ja schon, aber auch hier geht es mir nicht primär um die Pflanzen, sondern um die Orte, an denen sie wachsen. Es sind dies Orte der Bewegung, Orte, denen wenig Wert beigemessen wird, vernachlässigte Orte. Orte, die am Ende sind, wie Müllhalden, Stadtränder, interessieren mich genauso wie Orte der Hoffnung, des Neubeginns.

TT: Ihre Kunst ist letztlich also eine sehr politische.
Weinberger: Politisch schon, aber nicht in einem parteipolitischen Sinn. Mir geht es um das Hinführen zu den ganz großen Problemen der Welt, um die Dritte-Welt-Problematik, um soziale Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Umweltzerstörung.

TT: Aber glauben Sie, dass die brisante Botschaft Ihrer Kunst auch verstanden wird? Denn Ihre Kunst ist oft ja sehr unspektakulär, man muss sie fast suchen wie etwa bei der documenta X 1997, wo Sie Unkraut zwischen Bahngeleise gepflanzt haben.
Weinberger: Aber trotz seiner formalen Unscheinbarkeit war mein Objekt bei der documenta eines der nicht nur von den Medien am meisten beachteten, das sehr viele kontroverse Diskussionen auch politischer Art ausgelöst hat.

TT: Bedeutete die Teilnahme an der documenta Ihr künstlerischer Durchbruch?
Weinberger: Die Folge waren jedenfalls zahlreiche große Aufträge für Arbeiten im öffentlichen Raum, die alle mit Natur zu tun haben. Wir - ich und meine Frau Franziska - sind inzwischen fast so etwas wie eine kleine Firma. Bei meinen großen Objekten arbeiten wir mit diversen Firmen zusammen, die meine Entwürfe umsetzen. Derzeit entstehen mehrere Projekte parallel, wobei jedes exakt auf den Ort und seine Bestimmung zugeschnitten ist. Dieses Selberarbeiten fehlt mir allerdings sehr, geht bei mir doch vieles direkt vom Kopf zur Hand. Und heute geht es vom Kopf zur ausführenden Firma.

TT: In der Galerie im Taxispalais zeigen Sie nun hauptsächlich Arbeiten aus den vergangenen zehn Jahren.
Weinberger: Teilweise auch ältere, die noch nie zu sehen waren. Sie sollen die Kontinuität in meinem Werk dokumentieren. Meine Kunst ist ja von ihrem Wesen her eine sich ständig verändernde, keine für die Ewigkeit gemachte. Was übrig bleibt, sind Dokumentationen, Zeichnungen, Modelle, Texte. Im Zentrum der Schau steht mein aus 624 Dias bestehendes Gartenarchiv, das Ergebnis von elf Jahren Feldforschung an der Peripherie von Wien.
2002-11-21 16:06:39