diepresse.com
zurück | drucken

04.01.2007 - Kultur&Medien / Ausstellung
So heiß war der Markt seit 100 Jahren nicht
VON ALMUTH SPIEGLER
Rückblick. 2006 gab es Superlative bei den Auktionen, der Wettbewerb um das teuerste Bild der Welt war hart.

O
rakelten schon 2005 neidische Geister, dass die ständig anstei genden Preise am Kunstmarkt wieder herunterpurzeln würden, dass die viel beschworene "Blase" endlich platzt, strafte sie das vergangene Jahr laut lachend Lügen: 2006 wird als das heißeste Kunstmarktjahr seit fast 100 Jahren in die Annalen eingehen. Kein Hedge-Fonds-Manager, der etwas von sich hält, kann sich die Blöße leisten, nicht zu wissen, was die Abkürzung "ABMB" (Art Basel Miami Beach) heißt. Oder ob der linke oder rechte Ellbogen von Casino-Mogul Steven Wynn die Leinwand von Picassos "Le Reve" zerstört hat - gleichzeitig mit dem Traum eines neuen Preisweltrekords. 2006 ist mit bisher unbekanntem Ehrgeiz der Wettbewerb sowohl um die gewinnbringendste Neuentdeckung auf einer Kunstmesse als auch um den Titel "Teuerstes Bild der Welt" geführt worden.

Häuften sich schon einige Jahre zuvor die Rekordverlautbarungen der Auktionshäuser auf nahezu redundante Weise, steigerte sich die Frequenz der Jubelmeldungen 2006 atemberaubend. Die Spitze der Liste der teuersten Bilder ist nicht mehr wiederzuerkennen: Unglaubliche vier der fünf Plätze wurden vergangenes Jahr neu besetzt, allein Picassos 2004 um 104 Millionen Dollar noch als teuerstes Bild weltweit verkaufter "Junge mit Pfeife" hat sich in diesen Höhen gehalten. Auch den kleinen Trost, dass Klimts restituierte "Goldene Adele" wenigstens Nummer eins ist, gönnten uns die Amerikaner nicht lange - Jackson Pollocks Dripping-Bild "No. 5" von 1948 lief ihr mit fünf Millionen Dollar mehr, mit einem Kaufpreis von kolportierten 140 Millionen Dollar, binnen weniger Monate den Rang ab.

Beides waren private Verkäufe - Preise, die von Superreichen mit Hilfe der Expertise von Auktionshäusern im Separee beschlossen werden - nicht unter aller Augen im Auktionssaal. Ein Trend, der für fragwürdige Vergleichszahlen sorgt. Fragwürdig, aber legal ist auch der Eifer, den Auktionshäuser ins Requirieren der so heiß begehrten marktfrischen Ware steckt. Ganze Abteilungen sollen angeblich damit beschäftigt sein, Museumssammlungen auf Werke mit unklarer Provenienz zu überprüfen. "Restituiert" scheint das zurzeit begehrteste Qualitätssiegel geworden zu sein. Eine umstrittene Praxis, wie man in Deutschland an der Diskussion um Rückgabe und Verkauf von Ernst Ludwig Kirchners "Berliner Straßenszene" verfolgen konnte - die schließlich Ronald S. Lauder ersteigerte.

Neben dem Kirchner-Bild kamen an diesem 8. 11. bei Christie's in New York noch die vier von Österreich restituierten Klimt-Bilder sowie drei Bilder Egon Schieles unter den Hammer - es wurde mit einem Erlös von 384 Millionen Euro die bisher teuerste Auktion aller Zeiten. Vielleicht auch die traurigste: Alle neuen Klimt-Besitzer zogen bisher die Anonymität vor. Auch wer den neuen Schiele-Rekordpreis von 22,4 Millionen Dollar für das Gemälde "Häuser mit Bergen" aufstellte, bleibt ein Rätsel.

Den höchsten Zuschlag des Jahres heimste aber trotz der aktuellen Vormachtstellung von Christie's Erz-Konkurrent Sotheby's ein: Im März erzielte Picassos Porträt seiner Geliebten "Dora Maar mit Katze" 95 Millionen Dollar. Es ist das teuerste Bild, das je bei einer Auktion versteigert wurde - und somit, weil die Umstände anders als bei den Privatverkäufen nachvollziehbar waren, der wahre Spitzenreiter. Bezeichnend für die neuen Käufer am internationalen Parkett war der Meistbieter ein Russe - neben Asiaten die spannendsten Neueinsteiger.

So ging etwa auch das bisher teuerste Warhol-Werk (Mao, 1972) an einen Sammler aus Hongkong, Joseph Lau. Um 13,6 Millionen Euro bei Christie's. In der gleichen Auktion im November wurde auch ein neuer Rekord für Nachkriegskunst aufgestellt: Willem de Koonings "Untitled XXV" brachte 21 Millionen Euro. Neben dem anhaltenden Run auf gegenständliche Malerei (Leipzig, China) zählte im Moderne- und Zeitgenossen-Markt 2006 vor allem die Fotografie zu den absoluten Gewinnern: Der Umsatz der Foto-Auktionen verdoppelte sich in wenigen Jahren. Den Rekordpreis hält Edward Steichen für "The Pond-Moonlight" von 1904, das um 2,46 Millionen Euro bei Sotheby's versteigert wurde. Wann? 2006 natürlich. Im Februar schon. Ein bezeichnender Start für dieses Jahr der Superlative.

© diepresse.com | Wien