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Kunstberichte

Hysterie um eine Technik

Säulenhalle Albertina: Ausstellung über die Pioniertage der Daguerreotypie in Österreich
Illustration
- Ein Blick in die Pioniertage der Fotografie: „Beleibte Dame in einer Kutsche“, um 1844 von einem anonymen Daguerreotypisten festgehalten.  Foto: Albertina Wien

Ein Blick in die Pioniertage der Fotografie: „Beleibte Dame in einer Kutsche“, um 1844 von einem anonymen Daguerreotypisten festgehalten. Foto: Albertina Wien

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Der österreichische Wissenschaftsjournalist Johann Baptist Rupprecht berichtete als erster in der "Wiener Zeitung" über die Fixierung eines Lichtbilds auf Silberplatte durch Louis Jacques Mandé Daguerre. Diesem und Nicéphore Niépce war 1839 nach langen Versuchen die chemische Fixierung der seit Jahrhunderten bekannten Bildprojektion in der Camera obscura gelungen.

Die Daguerreotypie ist ein Unikat, das ein unbestechlich genaues Lichtbild seitenverkehrt auf einem Silberspiegel wiedergibt. Abzüge auf Papier wurden erst später durch das im gleichen Jahr entwickelte Negativ-Positiv-Verfahren des englischen Privatgelehrten Henry Fox Talbot möglich.

Verkaufserfolg Foto

Die ersten Fotografen waren keine Künstler, sondern Wissenschafter, und die Technik verbreitete sich trotz Zensur rasend schnell in Österreich. Denn auch der strenge Staatskanzler Clemens Fürst Metternich war ein Befürworter und Sammler – von ihm wurde der Akademieprofessor Andreas von Ettingshausen nach Frankreich gesendet. Dieser kam mit Kamera und Platten zurück und hatte das Verfahren von Daguerre selbst gelernt. Ärzte, Chemiker und Physiker fanden sich in der Folge in der "Fürstenhofrunde", einem Vorläufer der Akademie der Wissenschaften, zusammen, an die das Polytechnikum, der Vorläufer der Technischen Universität mit seinen Labors, angeschlossen wurde.

Von dieser Ingenieursakademie nahmen alle neuen Errungenschaften wie das Gaslicht, die Elektrizität und auch die Fotografie ihren Ausgang.

Die Albertina besitzt heute 450 Daguerreotypien aus der Frühzeit – hervorzuheben sind seltene Themen und das Exemplar einer Kombination mit Mikroskop von Ettingshausen, das auf die spätere künstlerische Entwicklung des Mediums vorausweist.

Zwischen 1840 und 1850 verbesserte man das Verfahren – Belichtungszeiten von bis zu einer halben Stunde wurden minimiert. Der Optiker Friedrich Voigtländer und der Mathematikprofessor Maximilian Petzval konstruierten eine neue, vereinfachte Kamera. Der Professor aus der "Fürstenhofrunde" musste zusehen, wie Voigtländer binnen vier Jahren nach dem Verkauf von siebentausend Exemplaren zu Reichtum gelangte, ohne ihn zu beteiligen.

Rare Landschaften

Trotz Kommerzialisierung und Streit blieben die Daguerreotypien der Frühzeit glücklicherweise im Polytechnikum erhalten – sie gingen später als Lehrobjekte in den Besitz der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt über und von dort an die Fotosammlung der Albertina.

Da das Porträt natürlich am meisten Interesse fand, sind die ersten Landschaften, Stadtansichten, Interieurs und Totenbilder von Kindern ausgefallene Bespiele, die für die aktuelle Schau der Albertina auch durch Leihgaben ergänzt wurden. Aktbilder lagen den Österreichern aber nicht – sie blieben französische Domäne.

Neue Forschungsergebnisse des Teams um Kuratorin Monika Faber ermöglichen in vielen Fällen sogar Zuschreibungen an Personen und Ateliers. Eine Herausforderung war die Schau aber auch für den Architekten Walter Kirpiscenko, denn die alten Silberplatten spiegeln und vertragen kaum Licht. Sie werden deshalb in japanisch anmutenden, beleuchteten Vitrinengehäusen schräg aufgestellt und hinter reflexfreiem Glas präsentiert.

Pioniere der

Daguerreotypie

in Österreich

Monika Faber,

Maren Gröning (Kuratoren)

Albertina

Bis 19. November

Interessanter Rückblick.

Donnerstag, 21. September 2006


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