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14.03.2002 - Kultur News
Stars als Lehrer - Wirtschaft als Motor
Design-Ausbildung in Österreich: Ihr guter Ruf eilt den Absolventen der vier Ausbildungsstätten ins Ausland voraus.
VON ALMUTH SPIEGLER


In den vergangenen sieben Jahren hat sich die Anzahl der Ausbildungsstätten für Industrial Design in Österreich verdoppelt. Zu den Klassen an der Wiener Universität für angewandte Kunst und der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz kamen die Fachhochschule Joanneum in Graz, und seit vergangenem Jahr auch das New Design Center in St. Pölten.

"Wir sind Gestalter, keine Künstler. Industrial Designer zu künstlerischem Designer verhält sich so wie Betriebswirt zu Wirt", betont Günter Grall, Assistent an der Linzer Universität. Und: "Wir sind international sicher erste Liga". "Die Absolventen haben akzeptiert, daß sie in Österreich keine Arbeit bekommen und gehen oft gleich ins Ausland", erzählt sein Kollege an der Wiener "Angewandten", Marcus Bruckmann.

Wie positionieren man sich im internationalen Bereich? Klingende Namen wie das Art Center College of Design in Pasadena oder das Royal College of Art in London locken zwar, so Grall. Doch "die Elite-Universität für Design gibt es nicht".

Während die Fachhochschule Joanneum und das Design Center in St. Pölten stark auf Kooperationen mit der Industrie setzen, also Praxis dominiert, halten die beiden Universitäten einen Sicherheitsabstand ein. Die einen sind demnach stärker verschult, die anderen lassen mehr Freiräume. Der Unterschied liegt im Methodischen und im System.

Die Wiener Angewandte verschrieb sich dem Star-Prinzip. Dort unterrichtet der international erfolgreiche Designer Paolo Piva. Alle paar Wochen kommt er nach Wien und bespricht sich mit seinen Studenten. Rektor Gerald Bast: "Die Betreuung findet ja nicht so statt, daß der Professor jeden Tag hinter dem Studenten steht und ihm die Hand führt. Piva kommt alle zwei, drei Wochen nach Wien und spricht die Entwürfe durch. Eine stundenweise Verpflichtung gibt es nicht. Das ist eine Gratwanderung zwischen dem Anspruch erfolgreiche Leute hier zu haben, und diese dann so weit als möglich in den Studienbetrieb einzubinden."

Das tägliche Geschäft erledigen die Assistenten. Auch MAK-Direktor Peter Noever unterstützt dieses Star-Prinzip: "Es wäre viel ärger, wenn jemand immer da ist und immer nur Blödheiten verzapft. Wenn der Professor immer hier in Wien ist, kann der noch irgend etwas über Design erzählen?"

"Radikalität ausleben"

Neben der Klasse von Piva gibt es an der Wiener "Angewandten" noch eine zweite Klasse für Industrial Design unter Leitung von Borek Sipek. Von den 120 Studenten schließen pro Semester etwa zehn ihr Ausbildung ab.

"Unsere Aufgabe ist es, den jungen Leuten einen Ort zu geben, wo sie zunächst die Radikalität neuer Ideen leben, entwerfen, ausleben können. Zunächst geht es nicht darum, die Leute marktfähig zu machen, sondern zunächst geht es darum, den Sturm im Kopf zu entfachen", sagt Bast: "Für uns ist wichtig, daß der Student nicht von vornherein auf die Kompromisse mit der Wirtschaft schaut, die muß er früh genug lernen."

Derzeit wird versucht, institutionalisierte Kontakte mit der Rhode Island School of Design, "einer der besten Designschulen in Amerika" (Bast), zu knüpfen. Neu besetzt wird ab Oktober die Professur für Design-Theorie und -Geschichte.

Reine, hehre Ausbildung

An der Linzer Universität für künstlerische Gestaltung teilt sich Industrial Design das Institut mit Architektur und Städteplanung. Zwischen 60 und 70 Studenten werden in mindestens fünf Jahren ausgebildet. Etwa ein Drittel sind danach in der Autobranche tätig.

"Bei uns soll es um die reine, hehre Industrial Design Ausbildung gehen", so Günther Grall. Kooperationen mit der Wirtschaft werden zwar gepflegt, aber "wir wollen als Universität nicht als billiges Designbüro fungieren. Unser Produkt sind die Studenten und es ist nicht unsere Absicht, daß diese schon den selben Job wie ein Absolvent machen", erklärt Grall.

Dauerkrieg gegen Wien

Die Linie der Ausbildung hat Professor Horst Meru bestimmt. Heuer im Herbst emeritiert er nach "29 Jahren Krieg gegen Wien". Er meint den Staat, das Ministerium. Eine auf sieben Jahre beschränkte Vertragsprofessur für Industrial Design ist ausgeschrieben. Fristende: 11. April, Dienstanstritt im Oktober. "Es ist uns wichtig, daß der Professor jeden Tag hier ist", so Grall: "Anders als die Wiener kaufen wir keine großen Namen ein, sondern hier muß der Professor wirklich arbeiten."

Wo liegt der Unterschied in der Ausbildung von Wien und Linz? "Linz ist klar der seriellen Produktion verschrieben, in Wien ist man stärker auf das Einzelprodukt orientiert.

Die Praxis hält die Fachhochschule Joanneum in Graz hoch. Bis zu 50 Prozent der Absolventen wandern ins Ausland ab. Gerhard Heufler, Studiengangs-Leiter Industrial Design, ist mehrfach ausgezeichneter Industrie-Designer: "Bei Praktika gehen schon 90 Prozent nach Deutschland, Niederlande, Spanien, USA."

Das Studium der 1995 gegründeten Fachhochschule dauert vier Jahre, es unterrichten ausschließlich Teilzeitprofessoren, "so haben die Professoren eine permanente Wettbewerbssituation" (Heufler). Pro Jahr werden 18 Leute aufgenommen.

Seit einem Jahr gibt es am New Design Center St. Pölten den Universitätslehrgang "Product and Furniture" in Kooperation mit der Kingston University, einer renommierten Kunstschule in London. Derzeit läuft der erste dreijährige Jahrgang. Abgeschlossen wird mit einem Bachelor of Arts. Die Unterrichtssprache ist englisch, es gibt nur zwölf Plätze, jeder kostet 5000 Euro pro Jahr. Heufler: "St. Pölten könnte eine sehr interessante Entwicklung nehmen. Das Center ist mehr im Wohnbereich und nicht so sehr im technischen angesiedelt. Aber es ist eine Bereicherung der Szene".

Graz vor Linz und Wien

"Wenn viele der Absolventen ins Ausland gehen, ist das doch ein Zeichen der Nachfrage und der Qualität der Ausbildung", stellt KTM-Boß Stefan Pierer fest. Für ihn ist die Fachhochschule in Graz die beste. "Die Absolventen kommen aus keinem Elfenbeinturm, sondern werden von Leuten aus der Praxis unterrichtet, von Leuten aus der Wirtschaft", so Pierer: "Sie müssen ein Semester in einem Betrieb arbeiten und wissen darum, daß sie die Entwürfe auch wirtschaftlich umsetzen können müssen." Bei den Absolventen der Wiener Angewandten und der Linzer Kunst-Universität vermißt Pierer "ein bisserl den Praxisbezug".

Ähnlich ist das Ranking bei Severin Filek: FH Graz, Linz und dann Wien. "Die Angewandte ist nicht nahe genug an der Wirtschaft. St. Pölten ist stark spezialisiert. Aber Graz ist derzeit sicher eine der Top-Schulen in Europa", sagt Filek als Geschäftsführer des Berufsverbandes Design Austria.

Wird fortgesetzt. Teil I unserer Serie ("Mut zur Gestaltung blüht in Österreich im Verborgenen") erschien am Samstag, 9. März.



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