In den vergangenen sieben Jahren hat sich die Anzahl der
Ausbildungsstätten für Industrial Design in Österreich verdoppelt. Zu den
Klassen an der Wiener Universität für angewandte Kunst und der Universität
für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz kamen die
Fachhochschule Joanneum in Graz, und seit vergangenem Jahr auch das New
Design Center in St. Pölten.
"Wir sind Gestalter, keine Künstler. Industrial Designer
zu künstlerischem Designer verhält sich so wie Betriebswirt zu Wirt",
betont Günter Grall, Assistent an der Linzer Universität. Und: "Wir sind
international sicher erste Liga". "Die Absolventen haben akzeptiert, daß
sie in Österreich keine Arbeit bekommen und gehen oft gleich ins Ausland",
erzählt sein Kollege an der Wiener "Angewandten", Marcus Bruckmann.
Wie positionieren man sich im internationalen Bereich?
Klingende Namen wie das Art Center College of Design in Pasadena oder das
Royal College of Art in London locken zwar, so Grall. Doch "die
Elite-Universität für Design gibt es nicht".
Während die Fachhochschule Joanneum und das Design Center
in St. Pölten stark auf Kooperationen mit der Industrie setzen, also
Praxis dominiert, halten die beiden Universitäten einen Sicherheitsabstand
ein. Die einen sind demnach stärker verschult, die anderen lassen mehr
Freiräume. Der Unterschied liegt im Methodischen und im System.
Die Wiener Angewandte verschrieb sich dem
Star-Prinzip. Dort unterrichtet der international erfolgreiche Designer
Paolo Piva. Alle paar Wochen kommt er nach Wien und bespricht sich mit
seinen Studenten. Rektor Gerald Bast: "Die Betreuung findet ja nicht so
statt, daß der Professor jeden Tag hinter dem Studenten steht und ihm die
Hand führt. Piva kommt alle zwei, drei Wochen nach Wien und spricht die
Entwürfe durch. Eine stundenweise Verpflichtung gibt es nicht. Das ist
eine Gratwanderung zwischen dem Anspruch erfolgreiche Leute hier zu haben,
und diese dann so weit als möglich in den Studienbetrieb einzubinden."
Das tägliche Geschäft erledigen die Assistenten. Auch
MAK-Direktor Peter Noever unterstützt dieses Star-Prinzip: "Es wäre viel
ärger, wenn jemand immer da ist und immer nur Blödheiten verzapft. Wenn
der Professor immer hier in Wien ist, kann der noch irgend etwas über
Design erzählen?"
"Radikalität ausleben"
Neben der Klasse von Piva gibt es an der Wiener
"Angewandten" noch eine zweite Klasse für Industrial Design unter Leitung
von Borek Sipek. Von den 120 Studenten schließen pro Semester etwa zehn
ihr Ausbildung ab.
"Unsere Aufgabe ist es, den jungen Leuten einen Ort zu
geben, wo sie zunächst die Radikalität neuer Ideen leben, entwerfen,
ausleben können. Zunächst geht es nicht darum, die Leute marktfähig zu
machen, sondern zunächst geht es darum, den Sturm im Kopf zu entfachen",
sagt Bast: "Für uns ist wichtig, daß der Student nicht von vornherein auf
die Kompromisse mit der Wirtschaft schaut, die muß er früh genug lernen."
Derzeit wird versucht, institutionalisierte Kontakte mit
der Rhode Island School of Design, "einer der besten Designschulen in
Amerika" (Bast), zu knüpfen. Neu besetzt wird ab Oktober die Professur für
Design-Theorie und -Geschichte.
Reine, hehre Ausbildung
An der Linzer Universität für künstlerische
Gestaltung teilt sich Industrial Design das Institut mit Architektur
und Städteplanung. Zwischen 60 und 70 Studenten werden in mindestens fünf
Jahren ausgebildet. Etwa ein Drittel sind danach in der Autobranche tätig.
"Bei uns soll es um die reine, hehre Industrial Design
Ausbildung gehen", so Günther Grall. Kooperationen mit der Wirtschaft
werden zwar gepflegt, aber "wir wollen als Universität nicht als billiges
Designbüro fungieren. Unser Produkt sind die Studenten und es ist nicht
unsere Absicht, daß diese schon den selben Job wie ein Absolvent machen",
erklärt Grall.
Dauerkrieg gegen Wien
Die Linie der Ausbildung hat Professor Horst Meru
bestimmt. Heuer im Herbst emeritiert er nach "29 Jahren Krieg gegen Wien".
Er meint den Staat, das Ministerium. Eine auf sieben Jahre beschränkte
Vertragsprofessur für Industrial Design ist ausgeschrieben. Fristende:
11. April, Dienstanstritt im Oktober. "Es ist uns wichtig, daß der
Professor jeden Tag hier ist", so Grall: "Anders als die Wiener kaufen wir
keine großen Namen ein, sondern hier muß der Professor wirklich arbeiten."
Wo liegt der Unterschied in der Ausbildung von Wien und
Linz? "Linz ist klar der seriellen Produktion verschrieben, in Wien ist
man stärker auf das Einzelprodukt orientiert.
Die Praxis hält die Fachhochschule Joanneum in
Graz hoch. Bis zu 50 Prozent der Absolventen wandern ins Ausland ab.
Gerhard Heufler, Studiengangs-Leiter Industrial Design, ist mehrfach
ausgezeichneter Industrie-Designer: "Bei Praktika gehen schon 90 Prozent
nach Deutschland, Niederlande, Spanien, USA."
Das Studium der 1995 gegründeten Fachhochschule dauert
vier Jahre, es unterrichten ausschließlich Teilzeitprofessoren, "so
haben die Professoren eine permanente Wettbewerbssituation"
(Heufler). Pro Jahr werden 18 Leute aufgenommen.
Seit einem Jahr gibt es am New Design Center St.
Pölten den Universitätslehrgang "Product and Furniture" in Kooperation
mit der Kingston University, einer renommierten Kunstschule in London.
Derzeit läuft der erste dreijährige Jahrgang. Abgeschlossen wird mit einem
Bachelor of Arts. Die Unterrichtssprache ist englisch, es gibt nur zwölf
Plätze, jeder kostet 5000 Euro pro Jahr. Heufler: "St. Pölten könnte eine
sehr interessante Entwicklung nehmen. Das Center ist mehr im Wohnbereich
und nicht so sehr im technischen angesiedelt. Aber es ist eine
Bereicherung der Szene".
Graz vor Linz und Wien
"Wenn viele der Absolventen ins Ausland gehen, ist das
doch ein Zeichen der Nachfrage und der Qualität der Ausbildung", stellt
KTM-Boß Stefan Pierer fest. Für ihn ist die Fachhochschule in Graz die
beste. "Die Absolventen kommen aus keinem Elfenbeinturm, sondern werden
von Leuten aus der Praxis unterrichtet, von Leuten aus der Wirtschaft", so
Pierer: "Sie müssen ein Semester in einem Betrieb arbeiten und wissen
darum, daß sie die Entwürfe auch wirtschaftlich umsetzen können müssen."
Bei den Absolventen der Wiener Angewandten und der Linzer
Kunst-Universität vermißt Pierer "ein bisserl den Praxisbezug".
Ähnlich ist das Ranking bei Severin Filek: FH Graz, Linz
und dann Wien. "Die Angewandte ist nicht nahe genug an der Wirtschaft. St.
Pölten ist stark spezialisiert. Aber Graz ist derzeit sicher eine der
Top-Schulen in Europa", sagt Filek als Geschäftsführer des Berufsverbandes
Design Austria.
Wird fortgesetzt. Teil I unserer Serie ("Mut zur
Gestaltung blüht in Österreich im Verborgenen") erschien am Samstag, 9.
März.
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