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Hintergrund

Die Chinesen kommen!

HangArt 7: Malerei von noch nicht im Westen bekannt gewordenen chinesischen Künstlern (bis 18. Dezember)

Von Reinhard Kriechbaum

15.11.05 Salzburg wirbt in China fürs Mozartjahr. Im Hangar 7, wo man seit einiger Zeit ja auch Ausstellungen präsentiert, wird junge chinesische Kunst gezeigt. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, aber es zeigt doch, wie China als Land wirtschaftlicher und kultureller Potenz (und bisher wenig genutzter Möglichkeiten) wahrgenommen wird.

Ein erster, überblicksartiger Blick: keine "Exotik", wenn man von ein paar Bananenstauden, etwas bunteren Marktszenen und einer Mao-Statue da und dort absieht. Hieße es "Junge Kunst aus Litauen", aus Brasilien oder meinetwegen aus den USA würden die malerischen Ergebnisse nicht so viel anders aussehen. Das heißt: Es gibt längst keine Informationsdefizite mehr, auch wenn China natürlich noch als ein "geschlossenes" Land gilt. Was sich international tut, vor allem auch: was auf den Kunstmärkten der Welt gefragt ist, wird auch in China aufmerksam verfolgt. Nicht zuletzt deshalb haben es Werke einiger bereits auch im Westen als arriviert anerkannter chinesischer Künstler auf einschlägigen Messen zu respektabeln Kaufpreisen gebracht.

Nun also "junge" Kunst, will heißen: Künstler in den Zwanzigern und Dreißigern, für Europa noch neue Namen. Nach wirklicher Innovation sieht's nicht aus, aber vielleicht ist das auch ein falscher Ansatz. Ausstellungskuratorin Lioba Reddeker erklärt es so: "Es ging fünftausend Jahre lang nicht um Individualismus. Imitation, Verfeinerung, Nachahmung waren die Kriterien." Das erinnert ein wenig an die Fußballstadien mit synchronen Suzuki-Geigern... Tatsächlich greifen chinesische Künstler begierig nach neuen Strömungen, logischerweise also nach der hoch im Kurs stehenden gegenständlichen Malerei. Und was sie machen, ist auf jeden Fall handwerklich gut. Manchmal blitzt auch eigenes Wollen durch.

Da wäre zum Beispiel die Malerin Ma Yanhong, die sich selbst porträtiert, mehr oder weniger bekleidet. Ein für dieses Land mit spröden Moralvorstellungen offenherziger Blick aufs weibliche Ich. Zheng Guogu denkt nach über die Bildwelten im Fernsehen, und er malt Szenen mit unscharfen Akteuren, was Bewegung suggeriert. Zhang Xiaotao findet auf der Ladefläche eines Lastwagens ebenso wie auf einem Restauranttisch stillleben-artige Relikte. Die Video-Arbeiten von Qiu Zhijie scheinen den Betrachter weit hinaus zu katapultieren in die Meteoriten-Nebel des Alls. Lust aufs Vergleichen machen die Arbeiten mit dem Titel "Point out of Difference" von Li Quing: Scheinbar jeweils zwei gleiche Motive nebeneinander, tatsächlich hat sich aber etwas verändert. Suchen Sie die fünf (oder mehr) "Fehler"...

Hung Tung-lu setzt puppenartige Wesen in Glaskugeln (oder Seifenblasen) auf Seerosen. Chan Sau-nam erzeugt malerisch Wirkungen, die an farbreduzierte Linolschnitte denken lassen - seine Motive sind Szenen, wie sie auch auf chinesischen Straßenmärkten allmählich seltener werden. Düstere Wolken brauen sich zusammen über jenen Menschen, die Chen Liangjie in Gruppen beisammen stehen lässt. Bedeutungsvoll sind ihre Gesten und Blicke. Überlebende von Natur- oder gar Atomkatastrophen, in einer grau-schwarz unbestimmten Umwelt?

Der Eye-Catcher schlechthin ist eine Paraphrase auf Leonardo da Vincis Abendmahl. Chow Chun-fai, ein Künstler aus Hongkong, hat allen Figuren sein eigenes Konterfei gegeben. Er ist also selbst Christus, doch auch der Verräter Judas und alle Apostel tragen seine Züge. Und dieses Gemälde wurde fotografiert. Die Puzzleteile in Ansichtskartengröße lassen die Rieseninstallation pixelig erscheinen.

Viele Spielarten von zeitgenössischer Kunst also. Interessant wäre natürlich, wie sehr sich in dieser Auswahl die Handschrift der lokalen Kuratoren niederschlägt. Haben sie sorgsam das Unangepasste ausgeklammert? Oder gibt es gar nichts Unangepasstes - was in Städten mit vielen Millionen Einwohnern (Hongkong, Shanghai, Peking) schwer vorstellbar ist. Die Schau ist anregend, aber in dieser Form wohl (hoffentlich) nicht repräsentativ für die junge Kunst eines Milliarden-Volkes mit eigener Geschichte und Tradition.

Die nächsten Führungen mit der Ausstellungskuratorin Lioba Reddeker: Sonntag, 27. November, 14 Uhr, und Freitag, 16. Dezember, 17 Uhr.

Bilder: HangArt 7/Katalog

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