Quer durch Galerien
Die Tasche - ein Körperteil
Von Claudia Aigner
Im Kaffeehaus mit dem Löfferl tatkräftig,
wenn nicht gar potent seinen Cappuccino umzurühren, fällt wohl nur dann
unter Erregung öffentlichen Ärgernisses (und ist unanständiger, als wenn
der Zucker den Kaffee beglückt), wenn der Augenzeuge eine irregeleitete
Fantasie hat. Daran hat auch Meret Oppenheim nichts nachhaltig ändern
können - mit ihrem stark behaarten Kaffeehäferl und ihrem verwegen
unrasierten Kaffeelöffel. Das fellüberzogene Ensemble ist ja schließlich
sehr moderat anatomisch, nämlich auf geradezu unmerkliche Weise
jugendverboten. Aber so wie die Bauchtaschen von Devi Saha gebaut sind
. . . frage nicht. In aller Öffentlichkeit ohne Genierer in seiner Tasche
zu kramen ist da im günstigsten Fall Aufklärungsunterricht, im Extremfall
Selbstbe . . . äh: -dienung. Die schamlos mit Biologie ausgestatteten
Beutel (bis 7. Juni bei V & V, Bauernmarkt 19) gibt es übrigens in
zwei Qualitäten: sehr männlich und sehr weiblich. Sie haben demnach
entweder einen . . . nun ja, da nehm' ich jetzt lieber Zuflucht zum
Bienchen-und-Blümchen-Jargon: Sie haben also ein Bienchen bzw. ein
Blümchen. Das Blümchen (aus Kunstfell) lässt sich mit einem
Reißverschluss öffnen und eignet sich hervorragend als Stauraum für jenes
Gerät, mit dessen Hilfe die zwischenmenschliche Kommunikation weiter
reicht als jede Ballistik im Wilden Westen: fürs Handy also. Mit dem
duellieren sich bekanntlich die immer gesprächsbereiten, ja fast schon
penetrant beliebten Personen dauernd in der U-Bahn: "Ätsch, ich bin aber
beliebter als du, ich zieh früher." Und da die Furcht davor, sein Handy
daheim zu vergessen, der Kastrationsangst gleichkommt, schützt das
praktische Tascherl im weiblichen "Blümchen" auch vor Freuds P-Neid.
Kurzum: Das Handy - eine Körperfunktion. Bezeichnenderweise hat hingegen
das "Bienchen" nicht einmal ein klitzekleines Geheimfach nötig. Freche,
raffinierte Taschen aus reizvollem Materialmix. Eigentlich externe
Körperteile. Weiters zu sehen: Von vielerlei Getier bevölkerter Schmuck
aus hingebungsvoll aufgefädelten Glasperlen. Und von Parsia Kananian:
Colliers aus delikat von Perlen umrankten Fotos. Nicht, dass es noch
eines Beweises bedurft hätte, aber jetzt glaub' ich's umso lieber, dass
die Blumen auch in der Nacht bunt sind, also auch dann, wenn der Gärtner
längst schläft. Yukara Shimizu (bis 11. Juni in der Fotogalerie, Währinger
Straße Nr. 59) schwärmt nämlich nächtens mit dem Fotoapparat durch die
blühende Botanik und pflückt, um es gewöhnungsbedürftig poetisch
auszudrücken, die Farben aus dem Saumagen der Nacht. Sie bringt sie in der
"schwarzen Magensäure" sogar zum Leuchten. Und Chloe Potters sentimental
romantische Fotos mit ihrer zerbrechlichen, duftigen Atmosphäre zergehen
einem auf der Netzhaut. Und sind mir nicht im geringsten peinlich. Liegt
auch an ihrer mitunter recht krassen Rätselhaftigkeit. Eine Maid
(womöglich eine Frau-Holle-Trittbrettfahrerin) beugt sich da etwa über
einen zerfledderten Polster wie eine Löwin über die frisch gerissene
Antilope. Sinniert aber anscheinend mehr dabei. Für Armin Holzner (bis
13. Juni in der Galerie Serafin, Florianigasse 9) ist es nicht untypisch,
dass er dem Feigenbaum den Stamm und die Äste unter den Blättern wegzieht.
Dann schweben die Feigenblätter surreal abstrakt (wie in einem
schwerelosen Herbst) über dem Boden. Mit lebendigem Pinsel arbeitet er
sich durch Istrien durch. Vom Karst bis zum "Palmenhain" ("Für mich war
das wie ein Palmenhain - nur: Es war halt a Krautacker"). Und erkennt
dabei das malerisch abstrakte Talent der Natur.
Erschienen am: 30.05.2003 |
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